Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
HERZ HINTER DORNEN

HERZ HINTER DORNEN

Titel: HERZ HINTER DORNEN Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
Vom Netzwerk:
erfüllte die windstille Luft, und nur das leise Rascheln von Schwester Roses Kutte war zu hören, als sie mit raschen Schritten am Eingang zum Refektorium vorbeieilte und die Tür zum Raum der Äbtissin öffnete.
    »Ihr habt mich rufen lassen, ehrwürdige Mut...«
    Das Wort blieb ihr im Halse stecken, als sich der Besucher um wandte, der neben der Tür stand. Er gab einen Laut zwischen Stöhnen und Krächzen von sich und sah aus, als hielte er sie für ein Gespenst.
    »Gütige Madonna!«, wisperte auch Roselynne de Cambremer, als sie in die entgleisten Züge ihres Schwagers blickte. Ein vertrautes Mitglied der eigenen Familie in diesen Mauern zu entdecken war das Letzte, mit dem sie in diesem Augenblick gerechnet hatte.
    »Was ist geschehen?«, raffte sie sich endlich zu einer Frage auf, nachdem er dem ersten Laut kein Wort hinzufügte.
    Aber Ryan of Hythe antwortete immer noch nicht. Er war viel zu sehr damit beschäftigt, das wohlbekannte und doch so fremde Gesicht unter der steifen weißen Haube zu betrachten. Das war nicht mehr das lästige Teufelchen, das mit seinen ständig wechselnden Launen, aufregenden Einfällen und dickköpfigen Verweigerungen die Familie gegen sich aufbrachte. Aus dem quirligen Mädchen war eine erwachsene Frau geworden! Allein, eine Frau, die ihm auf seltsame Weise die Sprache verschlug.
    »Der Seigneur ist mit allen Vollmachen Seiner Majestät des Königs bei uns erschienen und fordert, Euch zu sehen, Schwester Rose«, übernahm die Äbtissin würdevoll und in steifer, ungewohnter Höflichkeit die Kontrolle über die Situation. »Ihr kennt ihn?«
    »Er ist der Gemahl meiner ältesten Schwester«, bestätigte Roselynne. Sie nahm zwar mit Recht an, dass Ryan of Hythe diese Verwandtschaft bereits erwähnt hatte, aber die Formalitäten erlaubten auch ihr, den ersten Schock zu verarbeiten und sich für das Kommende zu wappnen. Sophias Ehemann war vermutlich nicht aufgetaucht, um ihren frommen Entschluss zu begrüßen. Sie kannte ihn als unerbittlichen Kritiker ihrer kapriziösen Launen, und so, wie er aussah, hielt er auch ihren Entschluss, in ein Kloster zu gehen, für eine kindische Marotte.
    »Woher hast du gewusst, wo du mich finden kannst?«, forderte sie als Erstes Aufklärung und vergrub die bebenden Hände in den weiten Ärmeln ihrer dunklen Kutte, damit er nichts von ihrer Erregung bemerkte.
    Sie bot ihm das reine, bleiche Antlitz einer von Leid geprüften jungen Frau. Ohne den Schmuck der Haare, nur von weißem Leinen umgeben, war es auf die edle Struktur seines Knochenbaus, die feine Beschaffenheit der Haut und den vollkommenen Schwung von Mund und Nase reduziert. Die blassen Lippen bewegten sich kaum bei ihrer Frage, und in der violetten Tiefe ihrer unverwechselbaren Augen, die ihm als Einziges vertraut erschienen, erkannte er die mühsam errungene Seelenruhe eines Menschen, der zu viel geweint und gelitten hat. Steife Fassung, ohne den Hauch des mutwilligen Lächelns, das alle für sie eingenommen hatte.
    »Gütiger Himmel, du bist es wirklich«, murmelte er benommen und ließ die Arme wieder sinken, die er nach ihr ausgestreckt hatte. Sie war nicht mehr das kleine Mädchen, das er wie beabsichtigt umarmen und wütend schütteln konnte. Er stellte fest, dass er nach den richtigen Worten suchen musste.
    »Nachdem diese Frage geklärt ist, kannst du mir auch sicher sagen, was dich zu mir führt«, murmelte Roselynne, zwischen Bangen und Ungeduld hin- und hergerissen. Auch sie fühlte sich ungewohnt befangen, denn sie ahnte, dass er entdeckte, wie sehr sie sich gewandelt hatte. Durchschaute er auch die Gründe dafür?
    »Das fragst du noch? Deine Eltern sind halb närrisch vor Sorge, deine Schwester grämt sich vor Kummer und der Rest deiner Familie hätte gern gewusst, was du dir dabei denkst, sie alle so zu quälen.«
    Im Schutz der Kutte umklammerte Roselynne ihre Unterarme und kämpfte um Haltung. Ihr Ton blieb jedoch gelassen, die Antwort kam leichthin und gab keinen Anhaltspunkt, der verriet, was sie dachte. »Ist es möglich, dass sie meine Nachricht nicht erhalten haben?«
    »Deine Nachricht! Ha!«
    Die Stirn des Barons rötete sich, aber die Äbtissin musste die Selbstbeherrschung bewundern, die ihn davon abhielt, seine renitente Schwägerin anzubrüllen.
    »Deine Nachricht, mein Kind, konnte alles und nichts bedeuten. Sie enthielt kaum einen Gruß, geschweige denn eine Erklärung. Du hättest sie möglicherweise auch unter Zwang schreiben können oder weil du keinen

Weitere Kostenlose Bücher