Herz im Zwiespalt (German Edition)
erwürgen.«
Erst jetzt bemerkte sie, dass sie besagten Pfeil so fest umklammert hielt, dass ihre Knöchel weiß hervortraten. Mit wütend zusammengepressten Lippen spannte sie den Bogen, ließ ihn jedoch wieder sinken und funkelte George missmutig an.
»Ist es denn wirklich nötig, dass Ihr ausgerechnet hier herumsteht? Es gibt doch bestimmt auch noch andere Leute, die Ihr mit Eurer spitzen Zunge beleidigen könnt?!«
»Elizabeth!«, keuchte Margarete entsetzt und kam rasch auf die Beine. »Dein Benehmen lässt arg zu wünschen übrig.«
»Dem muss ich leider beipflichten«, gestand George betrübt und sein unverschämtes Grinsen stachelte Lizzys Unwillen nur noch mehr an.
Ach ja – und wie ein Kartoffelsack über die Schulter geworfen zu werden ist wohl die feine schottische Art, dachte Lizz wütend. Wie konnte Margarete es wagen, ihr ausgerechnet jetzt eine Lektion in guten Manieren zu erteilen?
»Bitte entschuldigt das unangebrachte Benehmen meiner Schwester, Mylord. Sie meint es bestimmt nicht so. Es ist nur ... ich meine ... Sie ist nur leicht übermüdet ...«
Lizz warf ihrer Schwester einen so mörderischen Blick zu, dass George beinahe laut aufgelacht hätte. Die Ältere konnte ja nicht ahnen, dass sie gerade mitten ins Schwarze getroffen hatte. Georges Grinsen wurde noch breiter, als er sah, wie Lizz schuldbewusst errötete. Sie hatte es sich gestern Nacht nämlich nicht nehmen lassen, ihm seine anfängliche Ruhestörung mit gleicher Münze zurückzuzahlen. Bis in die frühen Morgenstunden hatte sie ihn mit ihrem Gepoltere wach gehalten. In der Tat war er heute Morgen ebenso müde wieder aufgewacht, wie er schließlich eingeschlafen war. Absur-derweise störte es ihn noch nicht einmal. Vielmehr fand er es äußerst amüsant, dass dieses Weibsbild so rachsüchtig sein konnte.
»Hör auf, Margarete!«, fuhr Lizz ihre Schwester böse an. »Natürlich meine ich jedes einzige Wort genau so, wie ich es sage. Im Übrigen brauchst du dich nicht für mich zu entschuldigen und schon gar nicht bei dem da. Er ist nur ein Douglas.«
»Elizabeth, du benimmst dich unmöglich«, schalt Margarete sie entsetzt und eilte raschen Schrittes davon. Bestimmt rennt sie gleich zu Mama, um ihr ernstlich ans Herz zu legen, mehr auf meine Erziehung zu achten, dachte Lizz wütend und warf George erneut einen mörderischen Blick zu.
»Seid Ihr jetzt zufrieden?«
»Du solltest dir wirklich an deiner Schwester ein Beispiel nehmen. Sie scheint eine sehr wohlerzogene junge Lady zu sein.«
Wohlerzogen und sterbenslangweilig, fügte Lizz in Gedanken hinzu. Sogleich nagte das schlechte Gewissen an ihr. Sie liebte ihre Schwester. Lizz wusste selbst nicht, weshalb sich sein Tadel wie heiße Nadelstiche in ihrer Haut anfühlte. Schließlich hörte sie diesen Vorwurf fast täglich.
»Verschwindet lieber, bevor ich Euch das ganze Ausmaß meiner mangelnden Manieren zeige«, fuhr sie ihn wütend an. Sie hob erneut den Bogen, fest entschlossen, diesen Rüpel nicht länger zu beachten. Dennoch konnte sie sich einen letzten bissigen Kommentar nicht verkneifen: »Ihr solltet Euch besser aus meinem Schussfeld fern halten. Sonst könnte sich mein Pfeil versehentlich in Eurem Hinterteil wieder finden.«
»Ich hoffe doch sehr, du würdest es dir nicht nehmen lassen, dich rührend um meine Wunde zu kümmern«, stichelte er weiter. Es bereitete ihm ein geradezu teuflisches Vergnügen, sie zu reizen.
Lizz schnaubte wenig damenhaft. »Ziemlich unwahrscheinlich. Viel eher würde ich dem ersten einen zweiten Pfeil folgen lassen.« Himmel, wie sie seine Überheblichkeit hasste.
George stieß sich geschmeidig vom Baumstamm ab und stellte sich neben Lizz. »Ich möchte wetten, du triffst nicht einmal diese riesige Schießscheibe.«
Lizz lächelte ihn siegessicher an. »Diese Wette verliert Ihr.«
Sie zielte, schoss ... mitten ins Schwarze.
Sie warf ihm einen triumphierenden Seitenblick zu. »Ihr habt verloren.«
George hob anerkennend eine Augenbraue und nickte bedächtig. »Vermutlich Anfängerglück.«
»Pah. Seht Ihr den abgestorbenen Ast dort oben?«
George blickte in die Baumkrone hoch und nickte erneut.
Lizz zielte, schoss ... weit daneben.
»Mist.« Wütend warf sie den Bogen hin und schritt hoch erhobenen Hauptes davon.
Hinter sich hörte sie ein tiefes Lachen.
7
An diesem Abend ging Lizz George Douglas so gut wie möglich aus dem Weg, was nicht weiter schwierig war, da er nur kurz zum Abendessen erschien und sich gleich danach
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