Herz im Zwiespalt (German Edition)
erreichte er die kleine Lichtung. Beinahe im selben Moment schlich sich das graue, zottige Tier ganz langsam aus dem Wald heraus. Lizz stieß einen erstickten Schrei aus. Mein Gott, war dieses Biest riesig. Ein tiefes Knurren drang aus seiner Kehle und jagte ihr eine Gänsehaut über den Rücken.
»Um Himmels willen«, keuchte Margarete und hielt sich ängstlich am Arm ihrer Schwester fest.
Lizzys Herz hämmerte wie wild. Sollte sie es wagen und um Hilfe schreien oder würde dieses Ungeheuer dann sofort angreifen?
»Da ist noch einer«, rief Margarete panisch, als ein zweites Tier aus dem Dickicht trat.
»Schnell, Junge, komm zu mir«, befahl Lizz und duckte sich langsam nach einem dicken, knorrigen Ast. Dieser war zwar nicht die beste Waffe, doch vielleicht würde es ihr damit gelingen, die Biester für eine Weile fern zu halten.
»Nun komm schon«, wiederholte sie nervös, als sich der Junge nicht von der Stelle rührte.
»Warum?«
»Weil ich es sage«, zischte sie zurück.
Als der Bursche endlich auf sie zukam, setzten sich auch die beiden Biester in Bewegung. Sie würden das Kind gleich in Stücke reißen! Ohne zu zögern sprang Lizz vor und ließ den Ast surrend durch die Luft sausen. »Verschwindet, ihr hässlichen Biester.«
Augenblicklich besaß sie die ungeteilte Aufmerksamkeit der Tiere. Aus grüngelben Augen starrten sie sie an und ein gefährliches Knurren drang erneut aus ihren Kehlen.
»So wirst du sie bestimmt nicht verjagen«, ließ sich der Junge direkt neben ihr vernehmen. Der kleine Kerl hatte vielleicht Nerven. War das arme Kind so verängstigt, dass es gar nicht begriff, in welcher Gefahr sie alle drei schwebten?
Lizz konnte nicht umhin, den tapferen Jungen zu bewundern. Er mochte kaum mehr als sechs oder sieben Lenze zählen, doch in seinen großen grauen Augen war keine Spur von Furcht zu lesen. Sie hingegen starb fast vor Angst.
»O Elizabeth, was sollen wir nur tun?«, jammerte Margarete weinerlich.
Die Tiere kamen langsam und mit geduckten Köpfen näher.
»Schnell, steigt in den Fluss«, befahl Lizz. »Diese Biester werden euch nicht ins Wasser folgen.«
»Ich mag aber nicht.«
War dieser Junge vielleicht schwachsinnig? Auch wenn Lizz gerade noch seinen Mut bewundert hatte, so hätte sie ihm jetzt liebend gern die Leviten gelesen.
»Marsch in den Fluss«, fuhr sie ihn streng an.
Das leise Aufspritzen von Wasser verriet ihr, dass er endlich gehorchte.
Nun war sie selbst an der Reihe. Ganz langsam, ohne die Tiere aus den Augen zu lassen, trat sie Schritt um Schritt rückwärts ins eisige Wasser. O Gott, war das kalt. Ihre Beine wurden fast augenblicklich taub.
Margarete schluchzte hilflos hinter ihr. »Sie werden uns fressen.«
Lizz warf einen raschen Blick über ihre Schultern und sah das wachsbleiche Gesicht ihrer Schwester. »Wage es ja nicht, jetzt in Ohnmacht zu fallen. Ich habe wirklich nicht die Zeit, dich aus dem Wasser zu fischen.«
Sie packte den Jungen am Kragen und zog ihn ebenfalls tiefer ins Wasser.
»Mir ist kalt«, murrte dieser verdrießlich.
Lizz sah, dass er bereits bis zum Bauch im Wasser stand. »Steig auf meinen Rücken.«
Er tat es ohne Widerrede. Nun sah sich Lizz einem neuen Problem ausgesetzt. Ihr Kleid hatte sich mit Wasser vollgesogen und der schwere Stoff drohte sie mit der starken Strömung mitzuziehen. Sie stemmte sich mit aller Kraft dagegen und sah erleichtert, dass die Tiere ihnen nicht folgten. Sie standen noch immer unschlüssig am Ufer, machten lange Hälse und schnupperten ihnen entgegen – doch sie folgten ihnen nicht. Leider schwand auch Lizzys Hoffnung, dass sie verschwinden würden. Stattdessen machten sie es sich am Ufer gemütlich und warteten.
»So tu doch etwas«, bat Margarete und ihre Zähne schlugen unkontrolliert aufeinander vor Kälte.
Lizz suchte fieberhaft nach einer Lösung, doch der plötzliche Geruch von geräuchertem Fleisch irritierte sie ungemein. Vielleicht verlor sie ja den Verstand? Sie schätzte die Entfernung zum anderen Ufer ab. Zu weit. Auch Hilferufe würden vermutlich nicht viel nutzen, da sie sich ein gutes Stück von den anderen entfernt hatten.
Plötzlich gewahrte sie eine Bewegung im Wald. Im nächsten Augenblick trat George Douglas auf die Lichtung und schaute sie fragend an. Lizz hätte beinahe geweint vor Erleichterung. Sollten diese Biester doch ihn fressen.
»Ist es nicht etwas zu kalt für ein kleines Bad?«, erkundigte er sich freundlich.
Sie hielt noch immer krampfhaft den Ast
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