Herz im Zwiespalt (German Edition)
das blasse Licht der Sterne reichte kaum aus, um mehr als schemenhafte Umrisse zu erkennen. Lizz straffte entschieden die Schultern und trat aus dem Schatten der Mauer in den Garten hinaus. Gemächlich machte sie sich auf den Weg zu den Ställen.
Die kühle Brise wirkte wie Balsam auf ihr erhitztes Gemüt. Sie machte sich ernstliche Sorgen um ihren Verstand. Weshalb war es ihr nicht möglich, Davids Küsse ebenso zu genießen wie die des schwarzen Ritters? Es war doch ein und derselbe Mann - dieselben Lippen, die sie berührten. Lizz schalt sich selbst eine Närrin und versuchte sich einzureden, dass sich die Küsse des schwarzen Ritters nur deshalb aufregender und prickelnder angefühlt hatten, weil er so geheimnisvoll gewesen war. Es war der Zauber des Augenblicks gewesen, der in ihr diese leidenschaftliche Reaktion hervorgerufen hatte. Die Plötzlichkeit dieser neuen Empfindungen, die sie in seinen Armen hatte erbeben lassen ... Sie allein traf auch die Schuld an ihrer Enttäuschung. Sie hatte ihre Erwartungen ganz einfach zu hoch gesetzt. So hoch, dass kein sterblicher Mann ihnen gerecht werden konnte. Auch David Flemming nicht - und schließlich liebte sie ihn von ganzem Herzen. Sie hatte sich am ersten Abend in jenem Stall in ihn verliebt. Vielleicht war dies auch der Grund, weshalb es sie heute Nacht erneut in einen Stall zog. Sie versuchte verzweifelt, jene herrlichen Gefühle wieder hervorzulocken.
Leise schlüpfte sie durch den schmalen Spalt der offen stehenden Tür in den Pferdestall. Ein junger Bursche schlief sitzend und mit hängendem Kopf auf einem Schemel und schnarchte in beeindruckender Lautstärke. Links von ihm erhellte eine dicke Kerze auf einem aufgestellten Fass den Raum. Lizz versuchte sich an ihm vorbeizuschleichen, doch schon beim ersten Schritt fuhr der Junge hoch.
»Mylady?« Er sah sie schlaftrunken an. »Kann ich Euch behilflich sein?«
Falls er sich wunderte, was eine junge Lady mitten in der Nacht in einem Stall zu suchen hatte, ließ er es sich nicht anmerken.
Lizz schenkte ihm ein verlegenes Lächeln. »Nein, danke. Ich wollte nur noch einmal nach meiner Stute sehen. Sie war heute reichlich nervös.«
»Heute Abend sind alle ganz ruhig«, versicherte der Bursche eifrig.
»Das glaube ich dir. Hast du vielleicht noch eine zweite Kerze, damit ich mich selbst davon überzeugen kann?«
Er nickte leicht beleidigt und kramte eine kleine Laterne hervor. »Hier, bitte.«
Lizz bedankte sich, lehnte seine Begleitung jedoch entschieden ab. Gemütlichen Schrittes leuchtete sie jede Box auf der Suche nach Lady Lou ab. Dabei machte sie einen großen Bogen um einen kleinen Hund, der vollauf damit beschäftigt war, sich hingebungsvoll zu kratzen.
»Ich hasse Flöhe«, murmelte sie angewidert und ging eilig weiter. Kein Wunder, dass es hier so ruhig war, die meisten Pferdeboxen standen leer. Auch der massige schwarze Hengst von George Douglas fehlte. Das erklärte wohl, weshalb Lizz keine Geräusche aus dem Nebenzimmer vernommen hatte.
Sie beneidete die Männer, die nach Lust und Laune kommen und gehen konnten; eine Freiheit, die man den Frauen natürlich verbot. Lizz wollte gerade weitergehen, als ein kleines grünes Stück Stoff ihre Neugier weckte. Vermutlich wäre es ihr nicht weiter aufgefallen, wenn man sich nicht offensichtlich Mühe gegeben hätte, es dort zu verstecken. Es lag unter einigen Decken verborgen und nur ein Zipfelchen lugte heraus. Lizzy zog es vorsichtig hervor. Es war ein grün-blauer Plaid mit einer silbernen Spange: dem Herzen der Douglas.
»Soso, dieser elende Douglas zieht es also vor, unerkannt die Gasthöfe unsicher zu machen«, murmelte Lizz leise vor sich hin. Ein boshaftes Grinsen breitete sich auf ihrem Gesicht aus. Margarete wäre bestimmt entsetzt über diesen kleinen Rachefeldzug. Doch das war ihr einerlei. Schließlich war es nicht die Wade ihrer Schwester gewesen, die dieser unverschämte Kerl beim Dinner massiert hatte. Sie errötete erneut bis zu den Zehenspitzen. Dieser Mistkerl verdiente nichts Besseres. Lizz schürzte die Lippen und drehte sich mit dem Plaid in der Hand zu dem kleinen Hund um, der sich noch immer kratzte.
»Ach, mein Kleiner. Sag bloß, du wirst von lästigen Flöhen geplagt.« Ihr Grinsen konnte nur mehr als teuflisch bezeichnet werden. »Komm her, Hündchen, ich werde dir einige davon abnehmen.«
Der sanften Stimme folgend, trottete der Hund an ihre Seite. Lizzy rieb ihm mit kräftigen Bewegungen den Plaid über den Rücken.
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