Herz im Zwiespalt (German Edition)
nach dem anderen wurde ausgebracht; mancher so vulgär, dass Lizz das Blut in die Wangen stieg, andere wiederum besinnlich oder heiter.
Aus dem Augenwinkel beobachtete Lizz, wie ihr Ehemann jeden mit einem knappen Nicken quittierte. Sie machte es ihm gleich, doch mit jeder Minute, die verstrich, sank ihr Herz immer tiefer. Alle schienen sich königlich zu amüsieren. Alle bis auf das Brautpaar.
21
»Das kann ich unmöglich anziehen!«, keuchte Lizz entsetzt, während sie mit hochroten Wangen das zarte Nichts in ihren Händen betrachtete – ein Geschenk des Königs. Es war ein schwarzes, duftiges Seidennachthemd von so hauchdünner Webart, dass es kaum etwas verbarg. Es besaß noch nicht einmal Ärmel! Sogar die schmalen Trägerchen weckten den Anschein, als würden sie bei der kleinsten Berührung ihren Dienst aufgeben.
»Nein. Auf keinen Fall«, wiederholte Lizz erneut. »Dieses Ding geht ja kaum bis über meine Pobacken.«
Mary kicherte leise. »Mylady, es ist genau richtig für Eure Hochzeitsnacht, das garantiere ich Euch. Lord Douglas wird begeistert sein.«
In den letzten Tagen war die junge Zofe für Lizz eine wahre Freundin geworden. Sie war ihr Trost und Stütze gewesen und hatte mit unermüdlicher Geduld sämtliche Gefühlsausbrüche ertragen. Mary war sogar noch weiter gegangen. Da Lizz nur sehr unzulänglich in den Dingen aufgeklärt worden war, die sich zwischen Mann und Frau abspielten, hatte sie diese Pflicht freudig übernommen. Lizz bezweifelte jedoch ernstlich, dass Marys euphorische Erzählungen wirklich der Wahrheit entsprachen. Gewaltige Stürme und Feuersbrünste schienen ihr dann doch etwas übertrieben. Jedenfalls hatte ihre Zofe an dieser peinlichen Tätigkeit ihre helle Freude gefunden.
Lizz rümpfte die Nase: »Ich lege nicht allzu viel Wert auf seine Begeisterung. Eigentlich möchte ich diese Angelegenheit nur noch ganz schnell hinter mich bringen.«
Mary horchte auf. »Ich glaube, die Männer kommen. Rasch, schlüpft in das Nachthemd.«
Lizzys Herz hämmerte wie wild, als sie sich das schwarze Nichts überstreifte. Sie begann am ganzen Körper vor Nervosität und Unsicherheit zu zittern.
Mary musste die Angst ihrer Herrin gespürt haben, denn sie griff liebevoll nach ihren kalten Händen und drückte sie sanft. »Kopf hoch, Mylady. Es wird nur ganz kurz wehtun. Soweit ich weiß, gelten die Douglas‘ als ausgezeichnete Liebhaber. Es wird Euch gefallen, mein Wort darauf.«
Lizz zwang sich zu einem kleinen Lächeln. Der Lärm im Korridor wurde immer schlimmer.
»Sie werden jeden Augenblick hier sein. Schlüpft schnell unter die Decken, Mylady.«
Das ließ sich Lizz nicht zweimal sagen. Sie verspürte wahrlich keine Lust, sich in diesem skandalösen Nachthemd den lüsternen Blicken der Männer auszusetzen.
Keinen Herzschlag später sprang die Tür auf und George wurde von einer Horde lachender und grölender Männer in den Raum geschoben. Die Meute zerrte und riss an seiner Kleidung, während sie ein derb anzügliches Lied johlte.
Lizz saß vollkommen erstarrt im Bett und zog sich die Decken bis unters Kinn hoch. Immer mehr Leute strömten in den Raum und begafften sie mit neugierigen und lüsternen Blicken.
Einige brüllten aufmunternde Rufe im Chor und schoben George auf das Bett zu. Lizzys Magen drohte sich vor Übelkeit umzudrehen. Großer Gott, sie hatte schon gehört, dass manche Ehen vor versammeltem Publikum vollzogen wurden ...
George begegnete ihrem angsterfüllten Blick und erkannte, dass sie gegen ihre aufsteigende Verzweiflung ankämpfte. Verdammt noch mal, es sollte ihm egal sein ...
»Das reicht jetzt«, verkündete er mit befehlsgewohnter Stimme. »Ihr hattet Euren Spaß und nun lasst uns allein«, forderte er die Leute barsch auf.
Sich gegenseitig stützend, stolperten sie aus dem Zimmer. Diejenigen, die immer noch nicht von ihrem anstößigen, lasterhaften Benehmen lassen konnten, riefen im Sprechchor: »Wir wollen die Braut nackt sehen, nackt sehen, nackt sehen!«
Erst als George warnend auf sie zutrat, begriffen sie, dass es nun tatsächlich besser war zu gehen.
Die Tür fiel krachend ins Schloss. Sie waren allein. George schob den Riegel vor.
Er tat es mit großer Sorgfalt und nutzte die Zeit, um sich innerlich gegen den verführerischen Anblick seiner hinterhältigen kleinen Frau zu stählen. Himmel noch mal, weshalb musste sie nur so unglaublich sinnlich und verletzlich in dem riesigen Bett wirken? George verbannte jegliche Gefühlsregung aus
Weitere Kostenlose Bücher