Herz in Gefahr (German Edition)
wenigstens der Bruder von der Pforte erzählt. Doch mit eigenen Augen habe ich weder die Lady noch Bloomfield je gesehen.«
Matthew sprang auf, knallte ein Geldstück auf den Tisch und stürmte, ohne sich zu verabschieden, aus dem ›Heiligen Hirten‹. Er ließ sich sein Pferd bringen, das noch immer erschöpft von dem langen Ritt war, und eilte, so schnell er konnte, zum Kloster.
Er klopfte an das Tor und sah sich dabei nach allen Seiten um, denn er wollte von seinen eigenen Gefolgsleuten hier auf keinen Fall gesehen werden. Endlich kam ein Mönch und öffnete ihm das Tor. Matthew betrat hastig die kleine Wachstube und ließ sich unaufgefordert auf einen Schemel sinken.
»Kommt Ihr, um hier Nachtquartier zu erbitten?«, fragte der Mönch und schielte mit begehrlichen Blicken auf Warthorpes Weinschlauch, den dieser vorsorglich mitgebracht hatte. Er bot dem Mönch einen kräftigen Schluck daraus an und sah befriedigt zu, wie der Mann in der schwarzen Kutte Zug um Zug trank. Endlich setzte er den Weinschlauch ab und sagte mit einem verlegenem Lächeln:
»Es ist ein guter Wein, den Ihr da in Eurem Schlauch habt, Mylord. Ich habe selten einen so edlen Tropfen gekostet.«
»Dann trinkt, trinkt ruhig, bis der Wein zur Neige geht. Ich habe noch mehr davon«, ermunterte ihn Matthew.
Der Mönch setzte erneut an und trank, bis der Schlauch leer war. Als er ihn absetzte, waren seine Augen schon etwas glasig und sein Gesicht gerötet. Er rülpste herzhaft und sah seinen Gönner dankbar an.
»Was kann ich für Euch tun?«, fragte er beflissen und mit schwerer Zunge.
»Ich suche meine Cousine Helen Waterhouse, die sich hier in Euren Mauern befinden soll. Könnt Ihr mir sagen, wo ich sie finden kann?«, fragte Warthorpe und holte aus seiner Satteltasche einen weiteren Krug mit köstlichem Rotwein hervor. Er öffnete ihn vor den Augen des Mönches, nahm einen kräftigen Zug und reichte den Weinkrug dann weiter.
Gierig steckte der Kirchenmann seine Hand nach dem berauschendem Getränk aus und nahm seinerseits einen langen Zug, mit dem er den halben Krug leerte. Dann rülpste er trunken und setzte sich zu Matthew. Er beugte sich nahe zu dessen Ohr und flüsterte verschwörerisch:
»Nein, nein, mein Freund, hier ist sie nicht mehr. Die junge Lady hat sich vor einigen Stunden in Begleitung eines Herrn, Lord Bloomfield ist sein Name, von hier fortgestohlen. Die beiden haben ihre Gesichter vor den Gefolgsleuten, die draußen nach ihnen auf der Lauer liegen, unter Kapuzen versteckt, doch ich habe sie trotzdem erkannt. Sie ist eine Schönheit, wisst Ihr.«
»Wo sind sie hin? Welchen Weg sind sie gegangen?«, fragte Matthew und konnte seine Erregung kaum unterdrücken. Er hielt dem Mönch erneut den Krug hin. Als dieser leer war, kicherte der Mann in der Kutte und drohte schelmisch mit dem Finger.
»Wer wird denn so neugierig sein?«, fragte er verschmitzt. Dann beugte er sich noch weiter nach vorn und flüsterte: »Sie nahmen den Weg zur Stadt. Ich hörte, sie wollten zu einer Burg namens Warthorpe, um dort einen Mörder zu fangen.«
»Hatten sie Pferde oder waren sie zu Fuß unterwegs?«, wollte Matthew wissen.
Der Mönch kicherte wieder. »Pferde? Woher denn? Nur einen Ablassbrief, gültig auf 35 Tage, tragen sie bei sich.«
Sir Matthew Warthorpe hatte nun alles erfahren, waser wissen musste. Er saß in der Wachstube des Klosters und hatte nur einen Gedanken: Ich muss fliehen, muss auf schnellstem Wege das Land verlassen, wenn ich nicht als Mörder gehenkt werden will. Helen und nun auch Bloomfield und vielleicht sogar der Erzbischof wissen alles. Ich bin verloren, wenn ich mich nicht aus dem Staube mache, bevor sie mich finden. Nach London, ich muss nach London und dort ein Schiff erreichen, das mich sicher nach Frankreich bringt. Er warf noch einen Blick auf den Mönch, der bereits leise vor sich hinschnarchte, und stahl sich heimlich aus der Wachstube. Er holte sein Pferd und ritt wie der Teufel aus der Stadt hinaus.
Helen und Robin hatten das Kloster inzwischen schon ein ganzes Stück hinter sich gelassen. Sie liefen durch die abendlichen Straßen von Canterbury. Unrat, Kot, Abfälle aus den Bratküchen und verwesende Tierkadaver, die achtlos links und rechts der Wege lagen, hüllten die Stadt in ein Gemisch der unterschiedlichsten Gerüche. Eine Gruppe junger Männer, in die bunten Kleider der Studenten gehüllt, debattierte laut an einer Straßenecke. Ein Stück weiter unten sah man eine Straßendirne, eingehüllt
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