Herz in Gefahr (German Edition)
Gott. Ich habe keinen anderen Helfer als dich, keinen anderen Erlöser, keinen Halt. Zu dir bete ich. Nur du kannst mir helfen. Die Schuld, die ich auf mich geladen habe, ist zu groß, als dass ich sie allein tragen könnte. Sie trifft die Menschen, die ich liebe und um keinen Preis verlieren möchte wie Andrew. Verzweiflung packt mich, und ich weiß weder ein noch aus. Barmherziger Gott, vergib mir alles, was ich an dir und den Menschen gesündigt habe. Vergib mir meine Schuld am Tod des kleinen Andrew, den ich gehebt habe, als sei er mein eigener Sohn. Richte du über mich, wie es dir gefällt. Ob ich lebe oder sterbe, ich bin bei dir, und du bist bei mir, mein Gott. Herr, ich warte auf dein Heil und auf dein Reich und bereue meine Schuld von ganzem Herzen.
»Allmächtiger Vater, nimm die Seele des Andrew Waterhouse zu dir. Herr, gib ihm die ewige Ruhe und das ewige Licht. Und was er aus menschlicher Schwäche gefehlt hat, das tilge du in deinem Erbarmen. Amen.«
Tränen rannen bei diesen Worten über ihre Wangen und hinterließen nasse Flecken auf ihrem Kleid. Sie saß lange so und hielt Zwiesprache mit Gott und dem kleinen Jungen, der ihr anvertraut und an dessen Tod sie unwissentlich mitschuldig geworden war. Endlich stand sie auf, nahm den Stoffstreifen und ging damit zum Bach. Sie wollte das Gesicht des Kindes und seine Hände waschen, bevor die Leute von der Burg eintrafen. Wenigstens sollte Helen und ihrem Vater der Anblick des Todeskampfes, der auf Andrews Gesicht deutliche Spuren hinterlassen hatte, erspart bleiben.
Margaret hatte den Bach gerade erreicht und sich zu dem kristallklaren Wasser niedergebückt, als sie in einiger Entfernung die Hufschläge eines einzelnen Pferdes vernahm, das sich rasch zu nähern schien. Sie richtete sich auf und sah verwundert ihn die Richtung, aus der sie den Reiter vermutete. Wer mag das sein?, fragte sie sich. Wer hat sich in diese Einsamkeit verirrt? Die Leute von Waterhouse mussten von der anderen Seite kommen, denn die Burg befand sich in der entgegengesetzten Richtung. Seit dem Unglück war gerade eine halbe Stunde vergangen. In dieser kurzen Zeit konnte Helen die Burg, die über eine Meile entfernt lag, vielleicht soeben erreicht haben, wenn sie schnell gelaufen war. Zudem rechnete Margaret damit, dass der alte Lord Waterhouse mit mehreren Gefolgsleuten zu Hilfe eilen würde, statt nur einen einzelnen Mann zu schicken. Wer also kam da?
Margaret hatte ihre Gedanken noch nicht zu Ende geführt, als sie den Unbekannten im schwarzen Umhang mit der riesigen Kapuze erneut auf die Lichtung zureiten sah. Von Angst gepackt, flüchtete die Kinderfrau hinter den Stamm einer dicken Eiche, hielt sich verborgen und beobachtete von ihrem Versteck aus, was geschah.
Der Reiter zügelte sein Pferd, das am Rand der Waldlichtung durch das Gesträuch gut verborgen war, und sah sich aufmerksam nach allen Seiten um. Da er sich unbeobachtet wähnte, ritt er langsam näher und hielt den schwarzen Hengst wenige Meter vor der Leiche des kleinen Andrews an. Da das tote Kind sich nicht regte, stieg er aus dem Sattel und trat vorsichtig näher. Mit der Spitze seines schwarzen, schlammverkrusteten Stiefels stieß er an den Körper des Jungen. Andrews Kopf fiel kraftlos zur Seite. Jetzt erst erkannte der Fremde, dass das Kind tot war. Mit einem Seufzer der Erleichterung, den Margaret bis in ihren Schlupfwinkel hören konnte, wandte sich der Mann ab. In einiger Entfernung blieb er stehen und schlug das Zeichen des Kreuzes.
Er schien sich völlig sicher zu sein, dass sich außer ihm und dem Leichnam des kleinen Andrew Waterhouse niemand auf der Lichtung befand, denn er ließ alle Vorsicht fahren und riss sich mit einer raschen Handbewegung die große schwarze Kapuze vom Kopf. Margaret reckte sich ein wenig aus ihrem Schlupfwinkel hervor. Der schwarze Reiter stand so, dass er der Kinderfrau seine linke Seite zugewandt hatte. Sie konnte lediglich sein Profil erkennen, doch das in aller Deutlichkeit. Mit einem Aufschrei der Überraschung erkannte sie den Mann. Sie sah überdeutlich seine Gesichtszüge, die unverwechselbare Nase, das wirre Haar. Nein, jeder Zweifel war ausgeschlossen. Die Kinderfrau wusste nun mit absoluter Sicherheit, wer den kleinen Jungen getötet hatte.
Durch Margarets Ausruf aufgeschreckt, schlug der Mann hastig die Kapuze wieder über den Kopf, sodass sein Gesicht erneut im Verborgenem lag. Angespannt sah er sich nach allen Seiten um und entdeckte die furchtsam
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