Herz in Gefahr (German Edition)
zusammengekauerte Margaret in ihrem Versteck hinter der dicken Eiche. Er zog seinen Dolch vom Gürtel und wandte sich ihr zu, doch im selben Momentertönten die Stimmen und Hufschläge der Leute von Waterhouse, die sich nun von der anderen Seite der Lichtung schnell näherten. Bald mussten sie den Unglücksort erreicht haben. Der Mann, der für Margaret nun kein Fremder mehr war, hatte jetzt keine Zeit mehr zu verlieren. Er steckte blitzschnell den Dolch zurück an seinen Gürtel. Seine rechte Hand verschwand unter dem schwarzen Umhang. Die Kinderfrau sah, wie er einen Gegenstand aus dunklem Leder hervorzog und neben die Leiche des Jungen warf. Dann rannte er in Windeseile zu seinem Pferd und saß auf. Die Stimmen der anderen Reiter ließen sich inzwischen gut voneinander unterscheiden. Jeden Moment mussten sie zwischen den hohen Bäumen auftauchen.
Der Mann im schwarzen Umhang wendete sein Pferd und galoppierte gehetzt in Richtung Bloomfield Manor davon. Auf Margarets Höhe hielt er kurz inne und sah die Kinderfrau mit einem durchdringenden, kalten Blick an. »Schweige still, sonst bist du des Todes«, zischte er. Dann verschwand er zwischen den dicht stehenden Bäumen und war im selben Augenblick vom Wald verschluckt, als die Gefolgsleute der Waterhouses, angeführt vom alten Lord selbst, die Lichtung erreichten.
Margaret, die am ganzen Körper wie Espenlaub zitterte, verließ ihr Versteck und lief eilig, und ohne den Männern des Lords Aufmerksamkeit zu schenken, zu der Stelle, an die der Fremde den merkwürdigen Gegenstand geworfen hatte. Hastig bückte sie sich danach, hob ihn auf und wollte ihn schon unter ihren Röcken verbergen, da gebot ihr die Stimme des Rittmeisters mit strenger Stimme Einhalt.
»Was habt Ihr da? Lasst sehen!«, herrschte er die Kinderfrau an und entriss ihr das Lederstück, das er sofort als Handschuh erkannte.
Er drehte und wendete ihn vor seinen Augen undentdeckte dabei eine kleine Stickerei auf dem Rücken des Handschuhs. Er spitzte die Lippen, pfiff vor Verblüffung durch die Zähne und sah Margaret prüfend an. Diese stand vor ihm und hatte die Augen zu Boden gerichtet, um den Blicken des Rittmeisters auszuweichen. Der Rittmeister steckte den Handschuh ein und sagte schroff: »Wir sprechen später darüber!« Dann wandte er sich ab.
Inzwischen waren die Reiter von ihren Pferden abgesessen. Lord Waterhouse schaute mit starrem Blick auf seinen toten Sohn, der friedlich und still inmitten der Lichtung lag, als sei er beim Spiel vom Schlaf überrascht worden. Er ging mit hölzernen Schritten, die ihn ein Übermaß an Kraft zu kosten schienen, näher und sank vor der kleinen Leiche in die Knie. Margaret und die Männer standen stumm und tatenlos daneben. Einige hatten die Hände zum Gebet gefaltet, andere schlugen das Zeichen des Kreuzes. Keiner sprach ein Wort, doch alle Blicke waren voller Mitleid und Anteilnahme auf den alten Lord gerichtet. Der kniete vor seinem Sohn, und sein Oberkörper wurde von einem trockenen Schluchzen geschüttelt. Eine einzelne Träne rann aus seinem Auge und die Wange hinab, verfing sich zitternd im Bart, ehe sie auf den grünen Wams tropfte und dort einen kleinen dunklen Fleck hinterließ. Der Lord löste die goldene Spange, die seinen Umhang auf der Brust zusammenhielt. Dann hüllte er seinen Sohn liebevoll in den Umhang ein, als wüsste er nicht, dass die Kühle, die vom Boden aufstieg, seinem Sohn nichts mehr anhaben konnte. Er hob den Jungen auf und schickte die Männer, die ihm dabei zu Hilfe eilen wollten, mit einem Knurren fort. Langsam und mit gramgebeugten Schultern trug er die kleine Leiche an seinen Leuten vorbei zu seinem Pferd. Erst hier, während er steif und kraftlos sein Ross bestieg, überließ er den toten Andrew für einen Moment seinem Rittmeister. Als er im Sattel saß, nahm er ihm die Last behutsam aus den Armen, setzte den toten Knaben vor sich auf das Pferd, umschlang den leblosen Körper fest mit einem Arm, während die andere Hand die Zügel hielt, und ritt zur Burg davon, ohne auf seine Männer zu warten.
Die Gefolgsleute und die Kinderfrau standen erschüttert da, und noch immer wagte keiner von ihnen, ein Wort zu sprechen. Sie hatten den ganzen Schmerz ihres Herren begriffen, weil er den Jungen genauso vor sich in den Sattel setzte, wie er es immer getan hatte, wenn er von einem seiner Ausritte nach Hause zurück kam. Margaret und jeder der Männer konnte sich noch gut an das fröhliche Lachen des temperamentvollen Knaben
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