Herz in Gefahr (German Edition)
Helen und rüttelte an deren Schultern.
Helen erwachte ob dieser heftigen Berührung aus ihrem Schmerz. Sie nickte stumm, warf einen Blick auf ihren kleinen Bruder, der noch immer wie tot im Gras lag. Dann schleuderte sie ihre Schuhe von den Füßen und lief, so schnell sie konnte, in Richtung Burg Waterhouse davon.
Sie achtete nicht auf die Steine, die ihr im Weg lagen, sie stieß sich die Zehen, trat in Pfützen und beschmutzte ihr Kleid, doch all das kümmerte sie nicht. Andrew, ich muss Andrew retten, waren ihre einzigen Gedanken. Schon hatte sie den Wald hinter sich gelassen und sah am Horizont die Burg auf einem Hügel stehen. Sie lief, wie von tausend Teufeln gehetzt, darauf zu. Der Atem kam ihr in schnellen Stößen von den Lippen, Schweißtropfen bedeckten ihren Körper, rannen in langsamen Bächen den Rücken hinab, in ihren Seiten bohrte ein stechender Schmerz. Das Herz schlug ihr laut gegen die Rippen, als wolle es daraus hervorbrechen. Doch Helen achtete nicht darauf. Jetzt hatte sie die Felder erreicht. Mit bloßen Füßen rannte sie darüber, sodass die Erdbrocken links und rechts neben ihr aufwirbelten. Die Schmerzen in ihrer Seite wurden immer stärker, sie hatte Mühe, genug Atem zu schöpfen, und kleine schwarze Punkte tanzten vor ihren Augen.Der Hügel lag bereits zum Greifen nahe vor ihr, da stolperte sie und fiel mit dem Gesicht zuerst auf den Boden. Sie schmeckte Erde zwischen ihren Zähnen, Schmutz, der sich mit ihren Tränen vermischte. Erschöpft lag sie da, rang qualvoll nach Luft. Ihre Lungen brannten, die stechenden Schmerzen in ihren Seiten pressten ihr den Leib zusammen, die Beine hingen wie schwere Lasten an ihrem Körper, von ihren Füßen lief Blut. Für einen kurzen Augenblick wollte sie dem unwiderstehlichem Verlangen, hier liegen zu bleiben und nie wieder aufzustehen, nachgeben. Doch die Angst um den Jungen war stärker. Andrew! Mein armer, kleiner Andrew!, dachte sie wieder und wieder und rappelte sich mühevoll auf. Helen liebte ihren kleinen Bruder über alles. Nach dem Tod der Mutter war sie ihm Spielkameradin, Trösterin und Beschützerin gewesen. Seine ersten Schritte, die ersten Worte, die er sprach, alle seine kleinen und großen Abenteuer hatte sie mit ihm geteilt. Sie sah seine unschuldigen, blauen Augen vor sich, das Flehen darin. Mit letzter Kraft schleppte sie sich den Hügel hinauf, erreichte das Torhaus und brach im Innenhof entkräftet zusammen. Doch schon hörte sie den Rittmeister auf sich zueilen. »Andrew! Im Wald! Es ist ein Unglück geschehen. Hilfe muss kommen!«, stammelte sie zwischen keuchenden Atemstößen hervor, die vom Pfeifen ihrer Lungen begleitet waren. Kurze Zeit später erklangen bereits Befehle. Pferde wurden gesattelt, Gefolgsleute sammelten sich in Windeseile auf dem Burghof, aus der Halle kam mit wehendem Umhang und fahlem Gesicht der alte Lord geeilt…
5. Kapitel
Margaret hatte der davonhastenden Helen sorgenvoll nachgesehen. Sie wusste, dass Eile geboten war, wollte man dem Jungen noch rechtzeitig zu Hilfe kommen. Dann griff sie den Saum ihres Rockes und riss einen breiten Stoff streif en von dem Kleidungsstück ab. Sie lief damit zum nahen Bach und tränkte den Stoff mit kaltem, klaren Wasser. Bei Andrew angekommen, setzte sie sich nieder, zog den leblosen Körper des Jungen in ihre Arme und barg dessen kleines Gesicht an ihrem Busen. Sacht wiegte sie den Knaben hin und her und benetzte dabei seine Lippen mit dem kühlen Nass, das sie aus dem Rockstreifen wrang. Plötzlich durchzuckte ein Krampf den Körper des Jungen. Er krümmte sich auf ihrem Schoß qualvoll zusammen, warf den Kopf hin und her, und dann quoll zwischen seinen aufeinander gepressten Lippen Erbrochenes hervor. Die Kinderfrau ließ ihren Zögling sanft zu Boden gleiten und suchte hastig nach einem Stockende. Dann säuberte sie seinen Mund mit dem Finger von den erbrochenen Speiseresten und klemmte das Stockende zwischen seine Zähne, um die drohende Gefahr des Erstickens abzuwenden. Wieder wurde Andrews magerer Körper von Krämpfen geschüttelt. Seine Zähne trafen knirschend auf das Holz in seinem Mund, gruben sich hinein. Margaret hielt den Jungen ganz fest an sich gedrückt. Sie murmelte dabei Gebete, zuerst leise, dann immer lauter und eindringlicher. »Heilige Jungfrau Maria, die du unseren Herrn unter Schmerzen geboren hast. Gelobt seist du und gelobt sei der Name des Herren. Nimm dich dieses Kindes in deiner Gnade an. Schütze und behüte es und bewahre es vor
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