Herz in Gefahr (German Edition)
beim dritten Mal zählte sie in Gedanken bis zehn, ehe das Wasser über ihr zusammenschlug.
»Nun, Bruder Richter, was sagt Ihr jetzt? Sie versank!«, rief der Totengräber spöttisch, als Margaret endlich von Jorge aus dem Zuber befreit und entfesselt wurde.
Das Publikum hielt gespannt den Atem an. Kein Laut war zu hören. Wie würde das Ketzergericht in diesem Fall entscheiden? Galt das Untersinken als Beweis der Unschuld, oder sprach man Margaret schuldig, weil sie sich einige Zeit über Wasser gehalten hatte? Alle Augenpaare waren aufmerksam auf das hohe Gericht geheftet. Und so übersah auch niemand, dass Bruder Michael unsicher und hilflos zu Sir Dogde blickte. Dieser wiederum sah fragend zu Matthew Warthorpe. Diese Margaret musste heute und hier als Hexe verurteilt werden. Nein, es ging nicht nur um die Prämie, die Warthorpe dem Gericht nach Margarets Tod versprochen hatte, es ging auch um die Glaubwürdigkeit des Ketzergerichtes und um die Macht der Kirche. Sir Dogde war klar, dass er ein Urteil gegen die Kinderfrau fällen musste. Doch wie sollte er die Entscheidung rechtfertigen? Schließlich seufzte er auf und sprach dann mit Nachdruck: »Der Hexenbeweis gegen Margaret, die Kinderfrau, wurde eindeutig erbracht. Die Wasserprobe lässt hieran keine Zweifel offen. Zuerst schwamm sie oben, wie wir alle gut sehen konnten, doch dann muss der Teufel eingriffen und sie unter Wasser gezogen haben! Und somit hat das Bad im Zuber Margarets Bund mit dem Teufel doppelt bewiesen! Gleichzeitig wurde die Bestätigung erbracht, dass Margaret Gott und der heiligen Taufe abgeschworen hat. Denn es ist eine Tatsache, dass das Wasser diejenigen nicht in seinem Schöße aufnimmt, welche das Taufwasser bei der Lossagung vom christlichen Glauben von sich geschüttelt haben.«
Die Dorfleute johlten begeistert und klatschten in die Hände. Niemandem fiel auf, dass der Richter sämtliche Vorschriften gebeugt hatte. Und es wäre ihnen auch vollkommen gleichgültig gewesen. Was galt schon ein Menschenleben? Doch von den aufregenden Ereignissen des heutigen Tages würde man noch lange zehren können.
Helen hatte den Vorgang mit äußerster Aufmerksamkeit verfolgt. Ihr war auch der Blickwechsel zwischen Matthew Warthorpe und Sir Dogde nicht verborgen geblieben. Eine dunkle Vorahnung durchdrang für einen kurzen Moment die Teilnahmslosigkeit, in der sie gefangen war. Dann verdrängte sie diese Gedankenwieder und kehrte zurück in ihre fremde, ferne Welt, in der das Leben auf der Burg und ihre Bewohner nicht zählten. Doch Matthews Blick voller Genugtuung und Zufriedenheit grub sich in ihr Gedächtnis, als hätte ein Maler ihn auf Leinwand festgehalten.
»Gesteht Ihr dem Gericht endlich, eine Hexe zu sein?«, führte Bruder Michael die Verhandlung fort.
Margaret, der es nun gestattet war, ihre Blöße mit einem Umhang zu bedecken, schüttelte müde den Kopf.
»Nein! Ich bin wirklich unschuldig«, antwortete sie hartnäckig.
»Gesteht, und Ihr habt einen schnellen Tod. Schweigt, und Ihr werdet Läuterung durch Schmerz erfahren«, forderte Sir Dogde zum letzten Mal streng.
Wieder schüttelte Margaret den Kopf. »Ich bin keine Hexe, der Herr ist mein Zeuge!«
»So muss die Folter die Wahrheit ans Licht bringen!«
Der Richter gab dem Henker ein Zeichen, und dieser nahm ein dunkles Tuch fort, das über einen Tisch gebreitet war, so dass der Blick aller Anwesenden auf die Folterinstrumente fallen konnte.
Er nahm jedes einzelne Instrument in die Hand und erklärte dessen Bestimmung genau, wobei er es nicht versäumte, die grässlichen Martergeräte vor Margarets Augen hin- und herzuschwenken. Da es auf Water-house keine Folterkammer gab, hatte das hohe Gericht beschlossen, die Folterung im Burghof und vor aller Augen vorzunehmen. Der Henker schritt auf ein Zeichen von Bruder Michael zum ersten Grad und legte Margaret die Daumenschrauben an. Sie wurden so langsam zugeschraubt und quetschten Margarets Daumen so heftig, dass das Blut hervorsprang. Ihr Gesicht wurde aschfahl, ihre Lippen zitterten. Doch keine Träne lief über ihr Gesicht, kein Wort der Bitte um Gnade kam über ihre Lippen. Lord Waterhouse hatte die Hände vors Gesicht geschlagen und saß hilflos und von großer Schuld geplagt dabei. »Gott steh ihr bei, Gott helfe ihr. Gott helfe uns allen«, murmelte er vor sich hin.
»Wollt Ihr nun gestehen, Hexenwerk verübt zu haben? Wer ist Euch dabei zur Hand gegangen?«, fragte Sir Dogde, der die Verhandlung jetzt weiterführte.
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