Herz in Gefahr (German Edition)
bat Sir Dogde schließlich voller Bewunderung für die junge Frau.
Mit einer Handbewegung gebot Helen ihm Schweigen, dann tupfte sie der Kinderfrau die schweißnasse Stirn ab, ehe sie mit ihrem Vater endlich zu ihren Plätzen zurückkehrte.
Sir Dogde kündigte nun den dritten Foltergrad an. Der Henker brachte eine Leiter herbei, die über zwei Böcke gelegt wurde. In der Mitte der Leiter ragte eine Sprosse mit spitzen Stacheln hervor, ›der gespickte Hase‹ genannt. Derb zerrte Jorge Margaret auf diese Leiter. »Du sollst so dünn gefoltert werden, dass dieSonne durch dich scheint«, sagte er zu ihr, und die johlende Meute des Dorfpublikums rieb sich in Vorfreude die Hände. Dann zog der Unerbittliche ihren Körper mit Hilfe von Stricken, die er an ihren Armen und Beinen befestigte, und die über Rollen an den beiden Leiterenden liefen, so auseinander, dass ihre Gelenke schauerlich krachten. Die spitzen Holzstacheln in der Mitte der Leiter drangen in ihren Rücken ein und steigerten die Tortur ins Unerträgliche. Ein qualvolles Stöhnen wurde hörbar, ansonsten kam jedoch kein Jammeroder Klagelaut über Margarets Lippen. Die kleine Näherin, die ganz vorn stand, stieß einen spitzen Schrei aus, dann sank sie in Ohnmacht.
Noch einmal zerrte der Henker an den Stricken, und Margarets Körper wurde qualvoll auseinander gezogen.
»Willst du wohl endlich gestehen, du Satansmetze!«, presste der Unerbittliche zwischen den Zähnen hervor, die er vor Anstrengung fest aufeinander gebissen hatte. Margaret sah ihm in die Augen und Jorge erschrak über die Standhaftigkeit des Weibes. Der Teufel muss sie unempfindlich für Schmerzen gemacht haben, dachte er und versuchte, Margarets Blick auszuweichen. Jorge hatte eine unerklärliche Angst vor den Hexen, Ketzern, Zauberern und Häretikern, die ihm bisher begegnet waren. Er fühlte sich ihnen – und damit dem Teufel – schutzlos ausgeliefert und vermeinte, ihre Blicke drängen bis in die hintersten Winkel seiner gewalttätigen, schmutzigen Seele. Vielleicht war er deshalb Henker geworden, weil er dann in kurzen Momenten das Gefühl hatte, über ihnen zu stehen, sie zu beherrschen, sie seinem Willen unterzuordnen.
»Ich erkenne Euch als Gericht nicht an. Ihr könnt wohl meine Mörder werden, doch niemals meine Richter!«
Obwohl Margaret diese Worte nur gehaucht hatte, waren sie Bruder Michael und Sir Dogde doch zu Ohren gekommen. Die beiden sahen sich an. Sie hatten schon viel erlebt. Oft genug hatten die Verurteilten während der Folter um Gnade gewinselt, hatten alles gestanden, was man ihnen vorgeworfen hatte. Doch solch ein Weib wie Margaret war ihnen noch niemals untergekommen. Das konnte nur mit dem Teufel zugehen! Kein Mensch besaß eine solch übermächtige Willensstärke! Noch einmal zog Jorge, der Unerbittliche, mit aller Kraft an den Stricken, sodass die Adern auf seinen Unterarmen dick und blau hervortraten. Da sank Margarets Kopf plötzlich leblos zur Seite. Die unerträgliche Marter hatte ihr das Bewusstsein geraubt. Jorge ließ die Stricke los und sah hilflos zu den Richtern.
»Sie ist ohnmächtig geworden«, sagte er so enttäuscht, wie ein kleines Kind, dem man sein Lieblingsholztier geraubt hatte. Sir Dogde kratzte sich nachdenklich am Kinn. Wieder wechselte er einen Blick mit Sir Warthorpe und wieder wurden sie dabei von Helen beobachtet.
»Genug für heute!«, sprach der Richter schließlich. »Das Gericht setzt die Verhandlung morgen fort. Bringt sie in das Burgverlies!« Dann standen Bruder Michael und Sir Dogde vom Richtertisch auf und begaben sich eilig in die Burghalle.
Lord Waterhouse atmete auf, und auch Helen wirkte erleichtert. Nur das Volk murrte. Es hatte sich vom Verlauf der heutigen Verhandlung ein größeres Gaudium versprochen. Doch die Beschuldigte hatte weder geschrien noch geklagt. Kein Teufel war aus der Erde gefahren und hatte Schwefel und Rauch verstreut. Einzig die Einmischungen des alten Lords und seiner Tochter hatten ein bisschen Abwechslung gebracht.
»Morgen, morgen werden wir sie brennen sehen«, frohlockten einige und eilten zurück in ihr Dorf, um in der Schenke bei einem Krug Ale ihre Eindrücke auszutauschen.
Derweil hatte der Henker Margaret von der Leiter gelöst und sie auf den steinigen Boden fallen gelassen. Er räumte seine Folterinstrumente ordentlich und beinahe liebevoll zusammen. Dann nahm er die immer noch bewusstlose Frau wie einen Sack Mehl über seine Schulter und brachte sie in das unterirdische
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