Herz in Gefahr (German Edition)
Burgverlies, welches sich unter dem Torhaus befand und seit Jahren nicht mehr benutzt worden war. Muffige Luft und eine feuchte Dunkelheit herrschten dort unten. An den Wänden aus grobbehauenem Stein wuchsen Schimmel, Moos und Flechten. Das fensterlose Verlies war selbst an einem solch warmen Maitag kalt und nass und das Stroh, das in einer Ecke lag, moderte schon seit Jahren vor sich hin. Kakerlaken huschten über den Boden und in einer Ecke saß träge eine fette Ratte und putzte sich. Jorge, der Unerbittliche, ließ die Kinderfrau grob auf den. gestampften, feuchten Lehmboden fallen und band ihre Arme mit Stricken an einen Eisenring, der in die Mauer eingelassen war. Er löschte seine Pechfackel, sodass Margaret in völliger Dunkelheit zurückblieb. Dann warf er das Gitter ins Schloss und stellte zwei Wachen vor das Verlies.
Margaret war allein. Langsam erwachte sie aus ihrer Bewusstlosigkeit und versuchte vorsichtig, ihre ausgerenkten Arme zu bewegen. Sie schrie leise auf vor Qual. Jeder Knochen in ihrem Körper bereitete ihr solche Schmerzen, dass die kleinste Bewegung sie zurück in die Ohnmacht zu führen drohte. Doch Margaret wollte nicht wieder das Bewusstsein verlieren. Sie spürte, dass dieser Abend und diese Nacht die letzten sein würden, die sie auf Erden erlebte, und sie wollte keine Sekunde davon verschenken. Fieber hatte ihren Körper befallen, und Schüttelfrostließ ihre Zähne klappern. Margaret schmeckte Blut auf den Lippen und fragte sich, welche inneren Verletzungen sie wohl davongetragen hatte. Sie fühlte deutlich, wie allmählich das Leben aus ihr wich.Doch sie haderte nicht mit Gott. Zu groß war die Schuld, die sie vor Jahren auf sich geladen hatte. Die demütigende Verhandlung, die Folter, all das empfand sie als gerechte Strafe für das, was sie damals getan hatte. Insgeheim war sie sogar dankbar dafür, denn jetzt hatte sie das Gefühl, wenigstens einen kleinen Teil ihrer Schuld abgetragen zu haben. Nur einen Wunsch hatte sie noch: Sie wollte jemandem ihr schreckliches Geheimnis anvertrauen. Mit kraftloser Stimme rief sie nach den Wachen. Doch niemand hörte sie. Die beiden Männer vor dem Verließ hatten es sich auf dem Boden gemütlich gemacht und schnarchten leise vor sich hin. Plötzlich hörte sie feste Stiefeltritte, welche die dunkle Treppe vom Torhaus zum Verlies herunterkamen. Dankbar sandte Margaret einen Blick gen Himmel. Da wurde eine Stimme laut, und die Kinderfrau erkannte den Rittmeister.
»Geht, Wachen, und nehmt Euer Nachtmahl in der Küche ein. Ich bleibe solange hier unten«, hörte Margaret ihn sagen. Gleich darauf entfernten sich die beiden Wachmänner. Ein Schlüssel knirschte im Schloss, dann wurde eine Pechfackel entzündet und der Rittmeister betrat das Verlies.
»Schnell, Margaret, schlingt Eure Arme um meinen Hals! Ich bringe Euch weg von hier. Oben wartet ein Karren. Ihr reist noch heute Nacht zu den Verwandten des Lords an das andere Ende von England.«
Doch Margaret schüttelte nur schwach den Kopf.
»Nein, Rittmeister. Habt Dank für Eure Mühe und richtet auch dem Lord und Helen meinen Dank aus. Gott schütze Euch alle. Mit mir geht es zu Ende. Ich fühle den Tod kommen. Und es ist auch besser so. Ein Krüppel wäre ich geblieben, mit all den gebrochenen Knochen und den ausgerenkten Gelenken.«
»Sprecht nicht so, Margaret. Ihr seid erschöpft. Bei guter Pflege werdet Ihr bald wieder genesen!«
»Gebt Euch keine Mühe. Doch einen einzigenWunsch habe ich noch. Könnt Ihr nach dem Pater schicken? Ich möchte, dass er mir die Beichte abnimmt und die letzte Ölung erteilt. Und etwas Wasser hätte ich gern, wenn es Euch nichts ausmacht.«
Der Rittmeister streichelte mit unbeholfenen Fingern über Margarets Wangen und stieß einen Seufzer aus. Dann nickte er. »Ich werde mich beeilen, Margaret. Der Pater ist noch auf der Burg. Haltet noch ein wenig aus, er wird gleich bei Euch sein.« Dann stand er noch für einen Moment hilflos vor Margaret und sah sie voller Mitgefühl an. Schließlich lauschte er nach draußen, dann zog er seinen Dolch hervor und durchschnitt die Fesseln, mit denen Margarets Arme festgebunden waren. Mit bewegter Stimme sagte er schließlich: »So muss ich wohl nun Abschied von Euch nehmen. Gott behüte Euch und sei Eurer Seele gnädig. Er wird Euch in den Himmel aufnehmen, das ist gewiss. Und keine hat es mehr verdient als Ihr.«
»Danke, Rittmeister. Danke auch für Eure Freundschaft, die ihr mir zuteil werden ließet. Gott
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