Herz in Gefahr
das andere betrachtete Truscott mit einer solchen Boshaftigkeit und einer so diebischen Schadenfreude, dass Truscott den Blick abwandte.
“Wo ist Nellie?”, verlangte er zu wissen.
“Sie lebt jedenfalls noch! Und das hat sie nicht dir zu verdanken!” Der jüngere Mann ballte die Hände zu Fäusten und verabreichte Truscott einen so harten Schlag gegen das Kinn, dass dieser zusammen mit seinem Stuhl nach hinten fiel.
“Na, na, Sam, so benimmt man sich doch nicht einem Gast gegenüber! Erinnere dich, er ist unsere Eintrittskarte zu ‘nem bequemen Leben.”
“Er ist ein mörderischer Teufel! Du kannst mich nich’ davon abbringen, ihm was von seiner eigenen Medizin zu schmecken zu geben.”
“Später, Sam! Aber du hast gar nicht so unrecht. Vielleicht sollten wir ihm zeigen, dass er mit uns nicht spielen kann.”
“Durchsucht ihn zuerst”, schlug der Junge vor.
“Natürlich! Eine hervorragende Idee, Jemmy. Nur zu, mein Junge!”
Als das Kind sich ihm näherte, überlegte Truscott, ihm einen Tritt zu versetzen, aber der Ausdruck im Gesicht des älteren Mannes hielt ihn davon ab. Doch Jemmy war in jedem Fall vorsichtig, stellte sich hinter den Stuhl und griff Truscott von dort mit dem Geschick eines erfahrenen Diebes in die Taschen.
Die Taschenuhr mit ihrer Kette hatte zuerst seine Aufmerksamkeit erregt, und so entfernte er diese als Erstes. Die nächste Entdeckung war die Pistole.
“Na, so was! Haben Sie etwa Ärger erwartet, mein lieber Sir? Ich denke, wir werden Ihnen in dieser Hinsicht entgegenkommen können.” Sein Lächeln war nicht ermutigend.
Jemmy förderte einen Geldlederbeutel, zwei Taschentücher und einen Schlüsselbund zutage, doch der Pfarrer blieb recht ungerührt. Der ältere Mann betrachtete ihn eingehend. Warum hatte er sich kein einziges Mal beschwert? Gab es noch mehr zu finden?
Da machte Truscott einen Fehler. Er streckte seine Beine aus, wie um seine unbehagliche Position zu mildern, und schob einen bestiefelten Fuß hinter den anderen.
Sein Peiniger stieß einen triumphierenden Laut aus. “Jemmy, die Stiefel! Du hast vergessen, dort nachzusuchen!” Er nahm die Pistole in die Hand. “Geladen, wie ich sehe! Na, na, Sir, seien Sie so freundlich und wehren Sie sich nicht. Ich habe nicht die geringsten Skrupel, Ihnen mit dieser nützlichen Waffe eins über den Schädel zu geben.”
Truscott biss zornig die Zähne zusammen. Als Jemmy mit der Suche fertig war, hatte er das Messer in der Hand, das er daraufhin dicht vor das Gesicht des Geistlichen hielt.
“Nein, nein, mein Lieber! Der Reverend wird zur rechten Zeit für deine Verletzungen bezahlen, aber noch nicht. Komm, Sam, leg mit Hand an!”
Gemeinsam zerrten die beiden Männer Truscott auf die Füße und stießen ihn aus der Tür hinaus, durch den Flur in den Raum gegenüber. Dort konnte selbst Truscott, der gegen jede Art von Niederträchtigkeit abgehärtet war, einen Schauder nicht unterdrücken. Der Raum befand sich in einem fürchterlichen Chaos. Bedrohlich anmutende Flecken von irgendeiner dunklen Substanz bedeckten den Boden, und die Wände waren bis zur Kopfhöhe bespritzt mit etwas, das Blut sein musste, wie Truscott sofort erkannte. Ein entsetzlicher Kampf hatte hier stattgefunden.
“Sam, unser Gast wird seine Freunde sehen wollen.”
Sam nickte. Er ging zu dem Schrank in der einen Ecke und öffnete ihn.
Truscott erstarrte. Die Augen drohten ihm aus dem Kopf zu fallen, als er die beiden Leichen sah. Seine Komplizen waren mit ungeahnter Brutalität ermordet worden. Das Hemd des einen war voll unzähliger Stichwunden, während das Gesicht des anderen bis zur Unkenntlichkeit entstellt worden war.
Der Geistliche schwankte.
“Ach, herrje, Sam, unser Freund fühlt sich nicht wohl. Wir müssen ihn überreden, sich zu setzen.”
Sam schloss die Schranktür und brachte Truscott zusammen mit seinem Freund wieder hinaus.
Dieses Mal fesselten sie ihm auch die Füße. Er war vollkommen hilflos und musste seine ganze Selbstbeherrschung aufbieten, um die aufsteigende Panik zu unterdrücken. Er schluckte nervös und wünschte sich, seine Kehle wäre nicht so trocken.
“Was hat das alles mit mir zu tun?”, krächzte er. “Ich habe diese Männer niemals vorher gesehen …”
“Seltsam! Bevor sie starben, wurden sie dazu … äh … überredet, uns eine gründliche Beschreibung des Mannes zu geben, der sie angeheuert hatte. Obwohl sie seine wahre Identität natürlich nicht kannten.”
“Warum glauben Sie also,
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