Herz in Gefahr
haben wird. Geben Sie Ihre Geschichten ruhig an Mr Truscott weiter, wenn Sie wünschen. Es macht keinen Unterschied für mich. Ob verheiratet oder nicht, ich bin in jedem Fall entschlossen, dieses Haus zu verlassen.”
Mrs Aveton erkannte, dass sie zu weit gegangen war. “Das … das kannst du nicht tun”, sagte sie unsicher.
“Warum nicht? Ich besitze jetzt die Mittel, um einen eigenen Haushalt zu gründen.”
Mrs Aveton schnaubte ungläubig. “Unsinn! Junge Frauen leben nicht allein. Es würde einen Skandal verursachen.”
Judith lächelte, aber ihre Augen blieben kühl. “Denken Sie, eitler Klatsch würde mir Sorgen machen? Ich fürchte Ihre Intrigen in dieser Hinsicht nicht. Ein Skandal kann nur jenen schaden, denen etwas an der Meinung der vornehmen Gesellschaft liegt. Und das trifft auf mich nicht zu.”
Ihre Worte erschreckten Mrs Aveton zutiefst. Ihre Hoffnung auf einen Anteil von Judiths Vermögen wurde immer schwächer, und Truscott würde wütend sein. Wenn sie ehrlich zu sich war, musste sie zugeben, dass sie sich ein wenig vor ihm fürchtete.
“Du hast mich missverstanden”, sagte sie so ruhig, wie sie konnte. “Ich dachte nur an dein zukünftiges Glück.”
“Seit wann?” Judith drehte sich auf dem Absatz um und verließ das Zimmer.
In der Zwischenzeit war Truscott auf die Lösung für sein Problem gestoßen. Margrave war die größte Gefahr. Der Fälscher war der Kopf hinter den Angriffen gegen ihn. Mit ihm musste er sich zuerst befassen. Sobald man einer giftigen Schlange den Kopf abhackte, konnte einem der sich windende Körper des Reptils keinen Schaden mehr zufügen. Wenn Margrave nicht mehr ihr Führer war, stellten Nellie und ihre Freunde kein Problem dar, und Truscott konnte sich in aller Ruhe später um sie kümmern.
Zunächst musste er Margrave näher kommen, und das würde nicht leicht sein. Der Mann war äußerst gerissen und ebenso misstrauisch.
Truscott lag stundenlang auf dem Bett, bis ihm endlich eine Antwort zu allem einfiel. Ein grimmiges Lächeln umspielte seine Mundwinkel. Er warf die Decke zurück und rief nach Nan.
Ihre geröteten Augen verrieten ihm, dass sie geweint hatte. Er hatte sie gestern Nacht brutal genommen, aber sie hatte ihm kein Vergnügen bereitet. Sie hätte ebenso gut ein Holzklotz sein können, so regungs- und gefühllos war sie geblieben. Himmel, wie satt er ihr ewiges Gejammer und die ständigen Fragen nach ihren Brüdern hatte! Sie musste verschwinden. Er würde sich darum kümmern, noch bevor die Woche vorüber war. Doch im Augenblick hatte er andere Sorgen.
Er wickelte sich in seinen Mantel, und mit einem weichen Hut, den er tief in die Stirn gezogen hatte, machte er sich auf den Weg nach St. Giles.
Das Haus seiner Mutter war leer, aber er wusste, wo er sie finden würde. In einer der Ginschenken in der Nähe saß sie mit ihren Freunden an einem Tisch. Wie Truscott erwartet hatte, war Margrave unter ihnen.
“Was für ein unerwartetes Vergnügen, Charlie.” Der Fälscher schenkte ihm ein spöttisches Lächeln.
“Ich hatte es versprochen, oder?” Truscott holte einen Geldbeutel hervor und legte ihn auf den Tisch.
Nellie streckte ihre klauenartigen Hände aus und schrie erstickt auf, als Margrave ihr mit seinem Spazierstock auf die Knöchel hieb. “Sei nicht gierig, Nellie”, tadelte er sie. “Ich kümmere mich darum.”
“Es ist genug da, und noch mehr erwartet euch”, sagte Truscott leichthin.
“Hast es dir anders überlegt, was”, höhnte Margrave. “Sehr klug! Ich habe dich nie für einen Dummkopf gehalten.”
“Ich verschwende meine Zeit nicht damit, zu beweinen, was ich nicht ändern kann.”
“Ausgezeichnet! Nellie, ich muss dir zum gesunden Menschenverstand deines Sohnes gratulieren.” Margrave schüttete den Inhalt des Beutels aus. Dann spitzte er die Lippen und schüttelte den Kopf. “Ein sehr bescheidenes Angebot, fürchte ich. Du musst dich schon etwas mehr anstrengen, Charlie.”
“Ich bin schließlich nicht lebensmüde, um an diesem Ort Gold mit mir herumzutragen. Wenn du mehr willst, wirst du mitkommen und es dir holen müssen.”
Margrave lachte ihm ins Gesicht. “Nach Seven Dials? Charlie, hältst du mich für einen Hohlkopf? Ich würde eher durch das Tor zur Hölle gehen als in dein Haus.”
“Das erwarte ich auch nicht von dir. Dort lasse ich kein Geld. Es ist sicherer in der Kirche.”
Margrave lehnte sich gelassen zurück und betrachtete Truscott nachdenklich. Dann schüttelte er den Kopf.
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