Herz ist Trumpf
hatte in der Pfarrgemeinde ihres Vaters genug Geburten erlebt, um zu wissen, dass das Mädchen die Lage richtig einschätzte.
„Hör zu, meine Liebe“, sagte sie. „Bei der nächsten Wehe möchte ich, dass du so tief Luft holst, wie es nur geht, und dann presst.“
„Das … das kann ich nicht!“, jammerte das Mädchen. „Oh, helft mir!“
„Verzeihung, ich bin so schnell es ging gekommen!“ Die Hebamme hastete in die Kammer und warf ihren Umhang über einen Stuhl. Sie war eine nüchterne, tüchtige Frau und übernahm die Verantwortung, ohne sich lange zu zieren. „Keine Angst, Kleines, wir werden dir beistehen. Wenn Sie einfach ihre Knie halten wollen, Miss Penny.“
Amariah gehorchte dankbar. Wie erwartet, rutschte das Kind schon wenige Minuten später in die ausgestreckten Hände der Hebamme. Es war ein Junge, der laut und kräftig brüllte, und während das Küchenpersonal seine Geburt bejubelte, weinte die junge Mutter vor Erleichterung, Erschöpfung und Verzweiflung gleichermaßen. Die Hebamme ihr legte ihren Sohn, den sie in ein sauberes Geschirrhandtuch gewickelt hatte, an die Brust.
„Ich wusste nicht, wo ich hingehen sollte, Miss Penny“, flüsterte das junge Mädchen unter Tränen. „Aber Sie sind immer so nett zu uns, wenn wir uns unser Essen holen, da dachte ich … ich könnte …“
„Es war richtig von dir, hierher zu kommen“, erwiderte Amariah sanft und strich mit den Fingerspitzen über die feinen Härchen auf dem Kopf des Neugeborenen. „Wir werden ein sicheres Zuhause für dich und deinen Sohn finden, sobald du dich erholt hast. Jetzt ruh dich aus und freu dich über dein Kind.“
„Sein Name soll Sammy sein“, sagte das Mädchen. „Sammy Patton.“
„Na dann, Sammy.“ Amariah lächelte. „Willkommen in diesem Leben, mein Kleiner. Und möge Gott euch beide segnen.“
Als sie ihre Hände und Arme wusch, hatte sie immer noch das Bild des Säuglings mit seinen winzigen Fäustchen und seinem rosa Mündchen vor Augen, der seinen Hunger und seinen Unwillen in die Welt hinausschrie.
„Miss Penny?“ Amariah drehte sich um. Pratt stand mit besorgter Miene hinter ihr in der Tür zur Spülküche. „Seine Gnaden ist hier.“
„Seine Gnaden?“ Verständnislos starrte Amariah den Verwalter an.
Pratt nickte. „Der Duke of Guilford, Miss. Ich habe ihn in den Empfangssalon geführt.“
„ Guilford !“ Oh, gütiger Himmel, wie hatte sie ihn nur vergessen können? Schnell nahm Amariah die blutbefleckte Schürze ab und eilte die Treppe hinauf, wobei sie so gut es ging ihr Haar glatt strich. Dann riss sie die Salontür auf.
„Guten Tag, Euer Gnaden.“ Sie knickste rasch. „Verzeihen Sie, aber es gab einen unerwarteten Notfall, um den ich mich kümmern musste.“
Sie lächelte herzlich, doch Guilford sah sie nur mit einem seltsam erstarrten Gesichtsausdruck an.
„Ihnen auch einen guten Tag, Miss Penny“, sagte er schließlich. „Wie mir scheint, habe ich Sie zu einem … ungünstigen Zeitpunkt erwischt. Soll ich auf Sie warten, bis Sie sich wieder gefasst haben?“
„Ich habe nicht vor, Sie warten zu lassen, Euer Gnaden“, erwiderte sie verwirrt. „Ich muss nur meinen Hut holen, dann bin ich bereit.“
Er schüttelte den Kopf. „Ich warte gerne auf Sie“, äußerte er beinahe flehend.
„Dazu besteht kein Grund, Euer Gnaden“, begann sie, doch dann fiel ihr auf, dass er sie keineswegs bewundernd, sondern eher entsetzt musterte. Rasch drehte sie sich zu dem Spiegel über dem Kamin um.
Ihr einfaches graues Wollkleid war zerknittert und dort, wo die Schürze es nicht bedeckt hatte, voller Flecken. Sie hatte keinen Schmuck angelegt, und ihr Haar war zerzaust, obwohl sie es zu einem straffen Knoten am Hinterkopf aufgesteckt hatte.
Sie sah nicht viel anders aus als sonst während des Tages, aber das konnte Guilford nicht wissen. Wenn er sie zu Gesicht bekam, war sie stets in eines der blauen, tief ausgeschnittenen Penny-House-Kleider gewandet, trug eine weiße Feder in den Locken und falsche Juwelen um den Hals. Doch ihr Erscheinungsbild an den Abenden gehörte zur Ausstattung des Clubs und nicht zu ihr.
Natürlich war Guilford elegant gekleidet – in einen dunkelblauen Rock und cremefarbene Pantalons samt einer Seidenweste, über der eine schwere goldene Uhrkette hing. Er hat sich offenbar keinerlei Gedanken darüber gemacht, wo wir hinfahren, dachte Amariah. Hoffentlich erwartet er nicht, dass ich mich in leuchtend blaue Seide hülle, wenn wir Armen häuser
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