Herz ist Trumpf
Carlisle’s könnte ich deinen Einsatz sicher noch vor Morgengrauen verlangen.“
„Carlisle’s sagst du?“ Stanton hob die Brauen, als er den Namen hörte. „Und dabei hörte ich, du würdest Armenhäuser und Bettlertreffpunkte besuchen.“
Dieser verdammte Westbrook musste Ohren haben wie ein Luchs! „Nun, der Tag hat ja gerade erst angefangen.“ Guilford versuchte, so gleichgültig wie möglich zu klingen. „Gute Taten werden die Dame nur in eine nachgiebigere Stimmung versetzen.“
„Oh, sicher.“ Stanton grinste und ließ erkennen, wie wenig er von dieser Theorie hielt. „Aber sag mir doch, Guilford, glaubst du wirklich, dass die Stufen eines elenden Armenhauses der richtige Ort sind, sie zu betten?“
„Stanton, Stanton.“ Guilford schnalzte in gespielter Entrüstung mit der Zunge. „Hast du wirklich eine so schlechte Meinung von mir? Glaubst du, ich nehme keine Rücksicht auf Miss Pennys Zartgefühl?“
Stanton tat seinerseits so, als sei er entsetzt. „Du verteidigst die Ehre der Dame, bevor du überhaupt bei ihr gelegen hast?“
„Und wenn schon!“ Guilford zuckte gekonnt die Achseln. „Du kennst mich, Stanton. Es ist besser, wenn eine Frau den Namen eines Mannes seufzt als ihn verflucht.“
Er mochte Frauen, und sie mochten ihn. Es war ein befriedigender Austausch für beide Seiten. Guilford wusste, dass er sich noch nie verliebt hatte, zumindest nicht so, wie die Dichter es beschrieben, aber das Mögen war genau nach seinem Geschmack.
Und er mochte Amariah Penny und ihre helle, samtige Haut.
„Sie wird es dir nicht so leicht machen wie deine üblichen Eroberungen“, beharrte Stanton. „Sie ist ihr eigener Herr. Sie braucht weder dich noch irgendetwas, das sie von dir bekommen könnte.“
„Was nur daran liegt, dass sie nicht weiß, was ich ihr geben kann.“
„Als Nächstes wirst du mir erzählen, dass du zu verflixt galant bist, um die Wette durchzuziehen“, versetzte Stanton mürrisch.
„Das könnte dir so passen, Stanton.“ Selbst wenn er nicht so fasziniert von Miss Penny wäre, würde er nicht zurücktreten. Es ging ums Prinzip, nicht um Geld. Jeder, der eine Wette wie diese nicht einhielt, machte sich bei White’s zum Gespött. „Wenn du sie zurücknehmen möchtest, ist das deine Sache, aber ich beabsichtige nichts dergleichen.“
Stanton seufzte schicksalsergeben. „Du hast vierzehn Tage Zeit, um Miss Penny ins Bett zu bekommen und einen überzeugenden Beweis zu liefern, dass du es geschafft hast.“
„Oh, du wirst es schon erfahren.“ Guilford zupfte an der Nelke in seinem Knopfloch. „Wie du selbst sagtest – London weiß im Handumdrehen, was in Penny House geschieht.“
Amariah hielt die schweißfeuchte Hand des Mädchens in ihrer. „Nicht mehr lange, meine Kleine, nicht mehr lange.“
Wieder verzerrte sich das Gesicht der jungen Frau vor Schmerz, und sie schrie auf. Sie hatte sich schon unter heftigen Wehen gekrümmt, als sie an der Küchentür aufgetaucht war. Amariah hatte sie unverzüglich in das kleine Arbeitszimmer ihrer Schwester Bethany geschafft, das neben der Vorratskammer lag, und obwohl eine Bank nicht unbedingt der ideale Ort sein mochte, um ein Kind zur Welt zu bringen, war er doch viel geschützter als die Straße oder ein Platz unter einer Brücke.
Die Tür ging auf, und Mrs. Todd, die Köchin, betrat den Raum. „Die Hebamme sollte jeden Augenblick hier sein, Miss Penny“, verkündete sie aufgeregt.
„Wir werden schon zurechtkommen, Letty.“ Die junge Frau griff fester zu, und Amariah spürte, wie stark die Schmerzen der Gebärenden sein mussten. Das Mädchen konnte nicht älter als fünfzehn oder sechzehn sein, es war also selbst fast noch ein Kind. Sein zerschlissenes, ausgebleichtes Kleid, die dünnen Handgelenke und die ausgezehrten Wangen waren stumme Zeugen seines freudlosen Daseins. Amariah kannte weder den Namen noch die Lebensumstände der jungen Frau, aber sie gehörte zu den armen Leuten, die jeden Tag an die Hintertür von Penny House kamen, um eine Mahlzeit zu erhalten, vielleicht die einzige am Tag. Es kümmerte Amariah nicht, durch welches Unglück das Mädchen in diesen traurigen Zustand geraten war, und sie hatte auch nicht danach gefragt. Jetzt war nur wichtig, dass Penny House dieser jungen Frau eine Zuflucht bot und dass sie und ihr Kind freundlich und mitfühlend behandelt wurden.
„Oh, es kommt, Miss, das Baby!“, schrie das Mädchen verzweifelt. „Oh, du lieber Himmel, bewahre mich!“
Amariah
Weitere Kostenlose Bücher