Herz ist Trumpf
befahl eine Männerstimme heiser und drängend. „Schau mich an!“
Amariah schluchzte auf. Diese Stimme, diesen Mann kannte sie. Sie wandte Guilford das Gesicht zu und öffnete die Augen.
9. KAPITEL
„Wackeln Sie mit den Fingern.“ Guilford hockte neben ihrem Sessel. „Bitte“, sagte er. „Tun Sie es für mich.“
Amariahs Gesicht war geschwollen vom vielen Weinen, und die Prellung an ihrer Schläfe verfärbte sich zusehends. Ihr Haar hing zerzaust herab, und ihr Kleid war zerrissen, aber dass sie anscheinend ihren Willen, ihren Kampfgeist verloren hatte – den Teil, der Amariah am meisten ausmachte –, bereitete Guilford die größte Sorge.
Er mochte sich gar nicht ausmalen, was hätte geschehen können, wenn er nicht rechtzeitig da gewesen wäre, um sie zu retten.
„Ich glaube nicht, dass ich das kann“, flüsterte sie unglücklich und drückte ihren Unterarm an sich. „Es tut weh.“
„Versuchen Sie es“, drängte er. „Wenn Sie die Finger nicht bewegen können, dann haben Sie auf jeden Fall einen Knochenbruch, und ich werde einen Arzt rufen, ob Sie wollen oder nicht.“
„Nein!“, rief sie erschrocken. „Ich sagte es Ihnen doch schon, Guilford! Der Arzt wird die Konstabler benachrichtigen, und das kann ich nicht zulassen!“
„Dann wackeln Sie mit den Fingern, Amariah!“, sagte er sanft. „Wenn es eine Frau gibt, die tapfer genug ist, das zu tun, dann Sie.“
Trotz ihrer Schmerzen schenkte sie ihm ein zittriges Lächeln. Sie holte tief Luft und streckte langsam den Arm aus. An der Stelle, wo der Einbrecher sie getreten hatte, war ihr Unterarm rot und geschwollen, und Guilford entfuhr ein verhaltener Fluch. Er würde dafür sorgen, dass der Mann, der ihr das angetan hatte, ordentlich dafür bezahlte. Vorsichtig bewegte Amariah ihre Finger, einen nach dem anderen.
„Können Sie Ihr Handgelenk drehen?“
Sie holte noch einmal tief Luft, drehte ihr Handgelenk hin und her und machte dabei die Faust auf und zu, um ganz sicherzugehen.
„Na also.“ Guilford seufzte erleichtert. „Ich bin kein Arzt, aber Sie haben sich offenbar nichts gebrochen.“
„Das sagte ich Ihnen doch.“ Sie senkte den Arm und zuckte zusammen. „Er tut nur immer noch höllisch weh.“
„Ich weiß.“ Guilford erhob sich, ging zum Tisch und goss ihr ein Glas Weinbrand ein. „Hier, trinken Sie das. Ich werde veranlassen, dass man Ihnen aus der Küche Eis heraufbringt. Es ist gut gegen die Schwellung und wird die Schmerzen lindern.“ Er betätigte die Klingelschnur. Mit Pratt musste er auch noch sprechen, aber erst nachdem Amariah sich beruhigt hatte. „Könnte das derselbe Feigling gewesen sein, der Sie neulich bedroht hat?“
„Die gleiche Frage habe ich mir auch gestellt“, erwiderte sie und senkte den Blick, damit er nicht sah, wie viel Angst sie hatte. „Aber dieser Einbrecher war nicht wegen mir hier oben. Dann wäre er mir nämlich in mein Schlafgemach gefolgt. Er griff mich erst an, als ich mit dem Kerzenständer gegen ihn ausholte.“
Guilford machte ein finsteres Gesicht. „Also haben Sie keine Ahnung, wer er sein könnte?“
„Nein“, gestand sie niedergeschlagen. „Ich konnte nur seine Füße sehen, und das im Dunkeln. Er trug Schuhe mit ovalen Schnallen und Strümpfe, also muss es entweder ein Lakai oder ein Gentleman gewesen sein.“
„Das ist immerhin etwas.“ Allerdings sehr wenig, wenn man bedachte, dass diese Beschreibung auf beinahe jeden Mann zutraf, der sich an diesem Abend in Penny House aufhielt. Auf dem Weg nach oben war ihm auf der Treppe niemand begegnet, was bedeutete, dass der Einbrecher entweder bereits das Haus verlassen oder sich unbemerkt wieder unter die Gäste gemischt hatte.
„Ich … ich habe die Tür offen gelassen“, beichtete sie. „Ich wollte nur kurz meine Medizin nehmen, weil ich solche Kopfschmerzen hatte. Und bevor Sie mich danach fragen, der Wachmann stand auch nicht vor der Tür. Ich hatte ihn nach unten geschickt, um den Hazard-Raum mit zu beaufsichtigen. Es war mein Fehler, ich habe mich leichtsinnig verhalten. Es tut mir leid, Guilford, doch das ist die Wahrheit.“
„Mir tut es auch leid, aber nur, weil er Ihnen so wehgetan hat.“ Plötzlich runzelte Guilford die Stirn und deutete mit dem Kinn in Richtung ihres Schreibtischs. „Sehen Sie mal. Das haben Sie doch nicht so liegen lassen, oder?“
Amariah folgte seinem Blick. „Natürlich nicht!“, rief sie mit finsterer Miene, als sie das Chaos aus Papieren, Briefen und
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