Herz ist Trumpf
Bürste durch ihr Haar fuhr. Es war längst nicht mehr verknotet, aber er wollte nicht damit aufhören. Er roch ihr Parfum aus Veilchen und Lavendel vermischt mit ihrem eigenen Duft, und als sie sich weiter entspannte, lockerte sie auch den Griff um die Tagesdecke, sodass sie ihr von der Schulter glitt. Fasziniert betrachtete Guilford die Haut ihres schlanken Halses, die so hell schimmerte wie eine Perle der Südsee. Er sehnte sich danach, sanft mit den Fingern darüber zu streichen, um festzustellen, ob sie sich so seidig weich anfühlte, wie er vermutete.
Es war alles andere als langweilig, soviel stand fest.
Sie seufzte und verlagerte den Arm in der Schüssel mit dem schmelzenden Eis. „Er ist schon ganz taub“, sagte sie. „Wie lange muss ich ihn noch kühlen?“
„Solange Sie es ertragen können.“
Wenn es nach ihm ging, würde er bis in alle Ewigkeit bei ihr bleiben. Sie war schläfrig und weich und warm und unsagbar verletzlich, und er konnte kaum den Blick von ihr lösen. Eingehüllt in die wollene Tagesdecke und ihr schlichtes Leinennachthemd, den Arm in einer Schüssel Eiswasser, fand er sie verführerischer als sämtliche anderen Frauen, die er gekannt hatte, zusammengenommen. Ihr so nahe zu sein gab ihm das Gefühl, sie beschützen zu können. So ähnlich war es ihm auch gegangen, als er Billy Fox den Posten des Stalljungen angeboten hatte. Er hatte sich gebraucht gefühlt und es genossen. Was er jetzt empfand, war vergleichbar damit, nur noch besser, weil es um Amariah ging.
Sie nahm den Arm aus dem Eiswasser und trocknete ihn mit einem der Küchentücher ab, dann lehnte sie sich seufzend an seine Schulter. „Ich muss Ihnen ein Geständnis machen, Guilford“, flüsterte sie. „Ich war nicht ganz ehrlich zu Ihnen.“
„Nicht?“ Verdammt, was würde sie ihm jetzt erzählen?
„Als ich sagte, ich müsste Sie nur um einen Gefallen bitten, habe ich gelogen. Ich bitte Sie um noch einen.“
Er ließ die Bürste aufs Bett fallen und legte seinen Arm um sie. „Nur einen?“
„Nur einen“, bekräftigte sie leise. „Und Sie können sich auch dieses Mal weigern. Ich weiß, ich sollte tapfer sein, aber nach allem, was heute Abend passiert ist, Guilford, wäre ich … wäre ich Ihnen äußerst dankbar, wenn Sie bei mir bleiben und mir bis Morgen früh Gesellschaft leisten könnten.“
„Sie möchten, dass ich hier bleibe?“ Er konnte nicht glauben, was er gerade gehört hatte.
„Ja.“ So traurig, wie ihre Stimme klang, nahm sie sicher an, er wolle sich weigern. „Ich gebe es nicht gerne zu, aber ich … ich habe Angst, Guilford“, setzte sie hinzu. „Ich möchte nicht alleine sein.“
„Dann werde ich natürlich bleiben.“ Mit den Lippen berührte er ihr Haar so sacht, dass sie es nicht bemerkte. Wann war sie ihm nur so erschreckend lieb und teuer geworden? Musste er erst so nahe daran gewesen sein, sie zu verlieren, um zu erkennen, dass er sich ein Leben ohne sie nicht mehr vorstellen konnte? „Was für ein Freund wäre ich, wenn ich es nicht täte?“
„Danke“, flüsterte sie und kuschelte sich an ihn. „Danke, Guilford.“
Er zog sie an sich und hielt sie im Arm, bis ihr die Augen zufielen und ihr Atem ruhig und regelmäßig wurde. Doch auch nun, da sie schlief, hielt er sie weiter fest. Die Kerze verlosch, und auf der Straße vor dem Haus war es längst ruhig geworden, als er ebenfalls einschlief.
Mit tief in die Stirn gezogenem Hut hockte Westbrook in der Ecke der schaukelnden Kutsche. Er war erschöpft, und ihm war übel von dem billigen Madeira, den Mrs. Poynton ihm als erstklassige Schmuggelware angedreht hatte. Aber wenigstens ließen ihre Huren ihn nie so im Stich wie sein Glück beim Spiel.
„Mein Gott, Westbrook, sehen Sie doch nur! Er hat gewonnen.“ Stanton, der ihm gegenübersaß, trat ihm unsanft gegen das Schienbein. „Dieser verdammte Guilford hat tatsächlich gewonnen.“
Unwillig richtete Westbrook sich auf, schob den Hut zurück und blinzelte. „Guilford? Was hat dieser vermaledeite Glückspilz jetzt wieder gewonnen?“
Der Morgen dämmerte bereits und er erkannte, dass sie nur ein paar Häuser weit von Penny House entfernt waren.
„Langsam, Jackson, fahren Sie langsam!“ Stanton klopfte gegen das Kutschendach. „Bin ich blind, oder ist das da drüben Guilfords Landauer, und steht er nicht noch genau an derselben Stelle wie vor ein paar Stunden, als wir zu Mrs. Poynton aufgebrochen sind?“
Westbrook lehnte sich aus dem Fenster und versuchte,
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