Herz ueber Bord
wahlloser Sex inbegriffen. Einfach, weilâs guttat, mal aus sich herauszugehen.
Hatte Brian mich abgeknutscht, weil es mal was Neues war und er gerade Lust auf Romantik mit einer anderen gehabt hatte? Was war nur in mich gefahren, ein paar harmlose Küsse ernst zu nehmen?
»Jetzt hör auf zu heulen, Katja«, warnte ich mich. Und dann fluchte ich, so laut ich konnte: »Verdammter ScheiÃkerl!« Meine Stimme hallte übers Meer. Laut und unbeherrscht, sodass die Frau neben mir sich erschrocken zurückzog. Ich schaffte es, die salzigen Tränen endgültig hinunterzuschlucken. »Und das verscheucht jetzt jeden Buckelwal, der auch nur daran gedacht hat hierherzukommen.«
Nachdem ich mit Friederike zurück an Bord gegangen war â ich hatte es unter Aufbringung all meiner Kräfte geschafft, ihr gegenüber nichts von meinem Kummer zu erwähnen â, musste ich wieder in die Küche. Kaum stand Enzo vor mir, deutete er schon auf mein Gesicht.
»Wo kommen plötzlich die Ringe unter deinen Augen her? Du siehst aus, als wärst du zuerst in der Sonne gegrillt worden und hättest danach zwei Nächte durchgemacht.«
»Sonst noch Komplimente?«, maulte ich.
Enzo zog mich in eine Ecke und besah mich von oben bis unten.
Ich fühlte mich immer unbehaglicher unter seinen Blicken. »Sag mal, was soll das werden? Eine Leibesvisitation? Hat man in dieser Küche denn kein bisschen Privatsphäre?« Ich hatte das Gefühl, Enzo suchte und entdeckte all die Stellen, die Brian eben noch zärtlich berührt hatte. Einzig und allein, um mir zu verdeutlichen, dass ich mich mit einem Womanizer eingelassen hatte, von dem man besser die Finger lieÃ.
»Jetzt, wo diverse Landgänge locken, muss ich dich darauf hinweisen, dass es besser ist, das, was drauÃen angeboten wird, nicht auszuprobieren â¦Â«
Meine Gedanken schweiften ab. Ich musste an Brian denken und die Küsse, die ich ausprobiert hatte. An Land. Als Enzo weiterredete, war klar, dass er von etwas Simplem sprach, nämlich vom Essen.
»⦠es ist sicherer, sich hier an Bord zu verpflegen. Mit wenigen Ausnahmen natürlich.«
Was war nur in mich gefahren, Brian zu küssen, ohne vorher in Erfahrung zu bringen, ob er Single war? Wie hatte ich nur so unvorsichtig sein können?
Enzo redete und redete, ohne dass ich begriff, worum es ging. Als ich wieder hinhörte, sagte er: »Das ist deine erste Kreuzfahrt, und ich fühle mich dazu verpflichtet, ein bisschen auf dich aufzupassen.«
Ich hatte Enzo gegenüber mit keinem Wort erwähnt, dass ich noch nie einen Fuà auf ein Kreuzfahrtschiff gesetzt hatte, aber anscheinend merkte man mir das an.
»Alles klar mit meinem Darm. Bis auf eine Papaya hab ich nichts angerührt. Ich hatte keinen Appetit«, gab ich zur Antwort. Inzwischen würde ich noch nicht mal einen Krümel runterkriegen. Mein Magen war wie zugeschnürt. Er schien gar nicht mehr zu existieren.
»Ich verlasse mich darauf, dass du vernünftig bist und nur in Restaurants isst, die ich freigebe.«
»Klar!«, versprach ich halbherzig. Das Wort vernünftig stieà mir inzwischen sauer auf. Wenn ich an meine heutigen Erlebnisse mit Brian dachte, war ich das Gegenteil davon gewesen. Spontan und unvernünftig. Und das fiel mir jetzt auf den Kopf.
Nach Enzos Predigt eilte ich zur Rolltreppe, um ins Restaurant Amore hinaufzufahren. An Tisch 15 saà Prof. Ucker und genoss sein Dessert: eine Pannacotta mit frischen Himbeeren.
Als er fertig war, kam ich zu ihm, um abzuservieren, und da sprach er mich an. »Meine Frau und meine Enkelin sind heute ohne mich an Land unterwegs.« Wir sahen uns an und verstanden, was jeder dachte. »Ein bisschen Ruhe tut mir gut. Vor allem, wenn es zwei zu eins steht«, fügte Ucker augenzwinkernd hinzu.
»Dass Sie mal für sich sein wollen, kann ich Ihnen nicht verdenken«, pflichtete ich ihm bei und schaffte sogar ein Lächeln. Die Beziehung des Professors stand offensichtlich ebenfalls unter keinem guten Stern. Vielleicht lieà man besser die Finger von der Liebe. Zumindest, wenn man sich nicht sicher war, einen Volltreffer gelandet zu haben.
Der Kellner stellte einen Espresso vor den Professor hin, als der mir wieder ein Trinkgeld zusteckte. »Wenn man alt ist, hat man die Knete, und wenn man jung ist, braucht man sie«, sagte er schmunzelnd.
»Danke«, antwortete ich. »Sie sind
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