Herz ueber Bord
die die Liebe niemals auf die leichte Schulter nimmt, erlebte, wie jemand per Zettel mit ihr Schluss machte. Das kam gleich nach den SMS, die manche zu Hilfe nahmen, weil sie sich ein Gespräch unter vier Augen nicht zutrauten. Mein Gott, war das feige.
Ich schaffte es, eine geschlagene Viertelstunde weiterzuarbeiten, ohne den Zettel aus der Hosentasche zu nehmen. Ich räumte Gläser ab, warf zerknüllte Servietten auf einen Haufen und rückte Stühle gerade. Dabei versuchte ich, so zu tun, als gäbe es die Nachricht in meiner Tasche gar nicht. Irgendwann hielt ich die Ungewissheit nicht mehr aus.
Ich rannte aufs Klo und faltete das Papier so heftig auseinander, dass es beinahe zerriss.
Was machst du, dass mein Herz nur noch für dich schlägt? , las ich. Brian hatte den Satz mit rotem Filzstift geschrieben und mit einem groÃen B. unterzeichnet. Ich unterdrückte einen leisen Schrei, riss den Klodeckel auf, schmiss den Zettel hinein und zog ab.
Ãber die Vakuumtoilette gebeugt, sah ich die erste Liebeserklärung meines Lebens verschwinden. »Das hab ich mir alles ganz anders vorgestellt«, presste ich hervor. Meine Stimme war belegt und meine Zunge schwer. Zuerst war ich von Brians unerwartetem Besuch überrumpelt worden und nun von seinen Zeilen.
Nach der Sache mit der versenkten Liebesbotschaft versuchte ich, mir nichts von meinem Zustand anmerken zu lassen. Ich arbeitete wie ferngesteuert und ohne etwas dabei zu empfinden und brachte so meinen Job als Runner zu Ende.
Als der Maître dâHôtel mir zunickte, dass es für heute genug sei, entschied ich mich, nicht wie gewöhnlich noch einmal in die Küche zu gehen, um mich von Enzo und den anderen zu verabschieden, sondern verschwand gleich in meiner Kabine. Dort stieg ich unter die Dusche und sah das milchig weiÃe Wasser in den Abfluss rinnen.
Ich schwemmte die Sonnencreme weg, die Brians Hände auf meinen Körper aufgetragen hatten. Blöderweise drängten sich damit auch wieder die schönen Momente in mein Bewusstsein. Meine Taktik, mich innerlich tot zu stellen, löste sich in Luft auf, und die Gefühle drangen mit Wucht erneut in mein Bewusstsein. Ich sah Brian auf mir liegen, während meine Arme fest um ihn geschlungen waren. Spürte jeden seiner Küsse ein zweites Mal. So lange, bis es mir so vorkam, als hätten meine Lippen Feuer gefangen.
Ich stellte das Wasser ab, weil der Spiegel und die Fliesen längst vom Dampf beschlagen waren, griff nach einem Handtuch, wickelte es mir um und verlieà die Dusche. Als ich aus dem Bad ins Zimmer trat, fiel mir wieder Sven ein. Sven und Brian. Zwei gut aussehende Typen, die nur Unglück brachten.
Am liebsten hätte ich mich auf der Stelle mit Inka getroffen, um ihr alles, was passiert war, haarklein zu erzählen. Vielleicht half Reden über den ersten Schmerz hinweg? Ich schlüpfte in ein rot gepunktetes Sommerkleid und fuhr den PC hoch, fest entschlossen, Inka zu erreichen. Meine Chancen standen gut, denn vermutlich hatte sie ihr Zimmer seit unserem letzten Gespräch nicht verlassen.
»Hi, Inka«, sagte ich, als ich sie an der Strippe hatte. »Steht Sven noch immer Wache? Und wenn ja, hat er schon Eiszapfen an der Nase?« Der Ton meiner Stimme und das fehlende Lächeln in meinem Gesicht sprachen offenbar Bände. Jedenfalls begriff Inka sofort, dass etwas nicht stimmte.
»Was ist los, Katja? Du klingst, als müsstest du gleich zu einer Seebestattung.«
»Falsch geraten. Aber es ist auch so schlimm genug«, erzählte ich, heilfroh, meiner Freundin endlich mein Herz ausschütten zu können. »Ich hab dir doch vorhin über Brian geschrieben.«
»Ja, ich habâs gelesen. Super-Brian, der den Tanz-Workshop leitet. Was ist mit ihm?«
Noch nie hatte ich mit Neuigkeiten zum Thema Liebe aufwarten können. Immer war Inka diejenige gewesen, die jemanden im Auge hatte, der datetauglich war.
»Er hat mich geküsst«, sagte ich. Nur diese vier Worte. Er. Hat. Mich. Geküsst.
»Echt?! Das ist doch cool! Aber hallo, wo bleiben die Emotionen? Warum klingt etwas so Schönes aus deinem Mund so trostlos? Oder ist er etwa ein miserabler Küsser?«
»Nein, er küsst fantastisch. Einfach himmlisch«, seufzte ich. »Gefühlvoll, zärtlich und intensiv. Aber darum gehtâs nicht.«
»Ooh, Katja!« Inka schnappte nach Luft wie ein gestrandeter Wal. Die Neuigkeit
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