Herz und Fuß
hatte, war es schon zu spät gewesen.
Jetzt klingelte es zur Abwechslung an meiner Tür und ich ging mit dem Staubtuch in der Hand die Treppe hinab, um zu sehen, wer es war. Im Flur stand Markus, ein guter Freund aus Schulzeiten, und seine nassen Sachen tropften die Fußmatte voll. Er schüttelte sich kurz wie ein junger Hund und lächelte schüchtern zu mir herauf. »Die Tür war offen.«
»Ist sie leider oft.« Ich nahm mir noch einmal vor, meiner Mutter zu erklären, dass ihre elaborierte Firewall nach wie vor nicht in der Lage war, unsere Haustür zu sichern. Zumindest vermutete ich das. Markus schloss die Tür eine Spur zu eifrig hinter sich. Ich schaute ihn verwundert und ein wenig enttäuscht an. Dass ausgerechnet Markus die »Frau mit dem grünen Fuß« sehen wollte, hätte ich nicht vermutet. Wir hatten in den letzten Jahren immer wieder lockeren Kontakt gehabt und ich hatte ihn immer für einen außergewöhnlich netten Mann gehalten.
»Du wunderst dich bestimmt, dass ich vorbeikomme.« Er blieb gebremst von meinem mürrischen Gesichtsausdruck und dem unruhig wehenden Staubtuch in meiner Hand an der Tür stehen. Um seine Schuhe wurde die Matte dunkel.
»Unsere halbe Stufe hat mich entweder angerufen, mir getwittert oder mir gemailt. Schön, dass es mal jemand von Angesicht zu Angesicht versucht.« Ich lächelte böse.
Er schaute schuldbewusst zu Boden.
»Du bist wirklich deshalb hier? Hast du auch einem Kegelclub einen Termin mit mir versprochen?«
»Nein!« Er sah mich entsetzt an.
»Du bist also nicht »deshalb« hier?« Ich überbetonte das Wort und bemerkte, dass ich dabei den Staublappen würgte.
»Ja und Nein. Kann ich es dir erklären? Ich wollte das eigentlich am Telefon tun und dich nicht einfach so überfallen, aber du gehst nie ran.«
»Möchtest du raten, warum?«
Er nickte verständnisvoll und sah dabei kein bisschen sensationslüstern, sondern wieder wie der Junge aus, mit dem ich so manche Lateinstunde geschwänzt hatte. Da ich für einen Tag genug Staub aufgewirbelt hatte, bat ich ihn zu einem Kaffee in die Wohnung. Er folgte mir sichtlich erleichtert in meine Küche.
Ich gab ihm ein Handtuch und wir tauschten ein paar Allgemeinplätze und Erinnerungen aus, solange der Kaffee sich blubbernd und prustend seinen Weg durch die Maschine suchte. Schließlich saßen wir beide mit großen Kaffeebechern vor uns am Tisch und lauschten dem Regen, der auf das Vordach prasselte.
»Ich bin verlobt, wir heiraten im Oktober«, stieß er schließlich hervor.
»Meinen Glückwunsch!«
»Danke.« Er nahm einen zu großen Schluck Kaffee und man sah seinem Gesicht an, dass er sich dabei den Mund verbrannte. Er fing an, mir leid zu tun.
»Und jetzt bist du gekommen, um mich zu fragen, ob ich bei eurer Hochzeit auf der Mundharmonika spiele?«
Er grinste mühsam, was vermutlich nicht nur an seinem verbrannten Gaumensegel lag.
»Sie ist Journalistin.«
In Gedanken löschte ich seinen Namen aus meinen Kontakten und bot ihm den neuen Sandkuchen von Rose-Lotte Stein an, um ruhig zuzuschauen, wie er daran erstickte.
Er zog sein iPhone aus einer Jeanstasche, schob eine Weile mit dem Zeigefinger digitale Bilder auf dem Display hin und her und reichte mir schließlich mit leuchtenden Augen das Gerät. »Hier, das sind wir zusammen in New York.«
Ich nahm das Handy und warf einen kurzen Blick darauf. Und noch einen längeren. Und einen ganz kurzen.
»Und sie will also über mich schreiben?« Ich klang milder, als ich erwartet hatte.
»Sie will über den Fund schreiben. Sie schreibt wunderbar, aber sie bekommt selten einen Fuß in die Tür. Ein Interview mit der Frau, die keine Interviews gibt, würde vieles leichter machen.«
»Das hast du schön gesagt.« Ich gab ihm das iPhone zurück. »Da soll ich jetzt meinen toten Fuß für sie in die Tür stellen?«
Er wurde rot und schluckte. »Scheiße! Tut mir leid, ich vergeige das hier gerade total, oder? Als sie angefangen hat, einen Artikel über den Fuß zu recherchieren, habe ich ihr erzählt, dass ich dich kenne und was wir alles zusammen angestellt haben. Und da hat sie vorgeschlagen, dass wir uns mal treffen. Sie hat mich nicht einmal gebeten, dich zu fragen. Es war meine Idee.«
»Du und deine Ideen.« Wir grinsten uns über unsere Kaffeebecher hinweg an. Beide aus unterschiedlichen Gründen ein wenig vorsichtig.
Er ließ das iPhone mit
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