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Herz und Fuß

Herz und Fuß

Titel: Herz und Fuß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Bax
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Frage!
     
    »Er hat dir die Geschichte mit der Tür zum Chemiesaal erzählt und dich mit ins Eiscafe B. genommen, sei nicht unbescheiden.«
     
    »Auch wieder wahr.« Sie blinkte und wir bogen in die Straße, auf der das Café lag.
     
    Das Eiscafe B. war Duisburgs Pendant zu Jacques Fischbude in Marseille und lag in einem der als multikulturell beschrieben Stadtteile, den die wenigen Besucher der Stadt lieber mieden. Die kleine Eisdiele hatte die hier aneinander vorbei lebenden Deutschen mit Wurzeln im Inland, Deutschen mit Wurzeln im Ausland, Türken mit Wurzeln in Deutschland und Menschen deren Wurzeln so oft herausgerissen waren, dass sie nicht mehr wussten, wo sie ursprünglich gewesen waren, einfach unter den bunten Schirmchen ihres gewaltigen Bananensplits vereinigt. Das Spaghetti-Eis des Familienbetriebs war geradezu legendär und wurde von mutigen Teenagern aller Nationen als Initiationsritus an der Schwelle zum Erwachsensein begriffen. Wer bei B. ein ganzes Spaghetti-Eis schaffte, hatte die Kindheit mit ihren Schoko- und Erdbeerbechern hinter sich gelassen und die Schwelle zum Mann oder zur Frau überschritten.
     
    »Wie wäre es, wenn ich Markus anrufe und ihn frage, ob er auch ein Eis möchte? Er müsste gerade zu Hause sein.« Irene hatte schon nach ihrem Handy gegriffen.
     
    Markus war natürlich begeistert von der Idee seiner Verlobten und er hatte schon drei Stühle um den Tisch auf dem Balkon gestellt und den Sonnenschirm aufgespannt, als wir eintrafen. Da die Verlobte mein Einverständnis still vorausgesetzt hatte, hatte ich es nicht gewagt, unserer ersten Begegnung zu dritt länger im Wege zu stehen. Ich hatte mich damit getröstet, dass Baby sicherlich eine Studie kannte, die mir später klarmachen würde, dass es wichtig war, den Tatsachen ins Auge zu schauen.
     
    Als ich auf dem Weg durch Markus’ Wohnung zum Balkon am leicht zerwühlten Bett des Schlafzimmers vorbeikam, verlor ich trotz guter Vorsätze ein wenig den Appetit. Was mich nicht überraschte. Schon als Markus Irene in der Tür das Eistablett aus der Hand genommen und sie zur Begrüßung geküsst hatte, hatte die Stricknadel schnell einen schmalen Rahmen um das Munch-Gemälde auf meinem Zwerchfell tätowiert.
     
    »Habt ihr gehört, dass sie diesen kranken Mörder gefasst haben.« Markus gestikulierte mit seinem Löffel abwechselnd in meine und Irenes Richtung.
     
    Ich nickte in meinen Eisbecher Geisha, Irene in ihren Krokantbecher.
     
    »Ich bin sehr froh darüber, ich habe mir schon auch ein bisschen Sorgen um euch beide gemacht.« Er lächelte mich freundlich an und ich hasste mich für meine Auslegung seines Satzes, denn ich machte mir ständig Sorgen um Irene und mich.
     
    Irene nahm seine Hand und verschlang ihre Finger mit seinen. »Du bist süß, mein Schatz, aber lass uns erst mal abwarten, ob er es wirklich ist. Wie sind sie denn auf ihn gekommen?«
     
    Markus küsste Irenes Hand in seiner, bevor er antwortete.
     
    »Keine Ahnung. Es gibt aber gleich eine Pressekonferenz der Polizei im Fernsehen. Sollen wir da reinschauen?«
     
    Ich fixierte die beiden ineinander verschlungenen Hände, als wären sie der gordische Knoten und ich damit beauftragt, sie zu lösen. Feuer, Erdbeben, Meteoriteneinschlag, wollte ich schreien, oder irgendetwas tun, das dazu führte, dass alle aufsprangen, ihre Hände zu sich nahmen und aus dem Haus rannten.
     
    »Charly?«
     
    Die beiden Hände lösten sich ohne mein Eingreifen und die eine berührte mich an meinem nackten Arm.
     
    »Was?«
     
    »Möchtest du die Pressekonferenz zu der Festnahme sehen?«
     
    Die Hände schlossen sich wieder umeinander.
     
    »Natürlich!« Ich hätte mir auch eine mehrstündige Dokumentation über die Herstellung von Kuckucksuhren angesehen, um diesem Anblick zu entkommen.
     
    Markus stand auf und sah mich einen kurzen Augenblick seltsam an, bevor er ins Wohnzimmer ging, um den Fernseher anzuschalten.
     
    »Hat schon angefangen«, rief er und wir zogen mit unseren Eisbechern vor die Mattscheibe. Ich setze mich auf einen Sessel, der es mir gnädigerweise verwehrte, Markus und Irene in trauter Zweisamkeit auf dem Sofa zu betrachten.
     
    Aus der Festnahme eines Verdächtigen war in den letzten Stunden zu unserer Überraschung das Verhör eines wichtigen Zeugen geworden. Der wohnungslose Jürgen H., den man aufgegriffen hatte, weil er mehreren Passanten betrunken und mit zwei grünen Socken wedelnd gedroht hatte, ihnen die Füße abzuhacken, kam als

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