Herz und Fuß
fantastische Fischrestaurant im Hafen von Marseille empfehlen. Da triffst du nur echte Hafenarbeiter und Jaques der Chef macht die beste Bouillabaisse der ganzen Stadt.«
»Na, dann wirst du mit Judith ja bestimmt demnächst bei Jacques und den Hafenarbeitern vorbeischauen.« Ihr Tonfall war ein wenig zu bemüht, um natürlich und lustig zu klingen. Und der Themenwechsel war auch nicht ganz so geschmeidig.
»Ich werde Judith nicht einmal wiedersehen, geschweige denn, mit ihr das Mittelmeer betrachten.« Es war mir sehr wichtig, dass sie das wusste. Eigentlich hatte ich ihr das mit Judith gleich in Ruhe erklären wollen, aber nun war das Thema jetzt schon da und setzte sich in den freien Raum zwischen uns und starrte uns abwechselnd an.
»Hat mich überrascht … vollkommen überrascht, dich …« Sie stockte.
»… so zu sehen … mit einer anderen Frau. Es war mir sehr unangenehm, euch gestört zu haben. Tut mir wirklich leid.«
Da sie im selben Moment an einer roten Ampel bremste, konnte ich nicht sicher sein, ob der Ruck, der durch meinen Körper ging, nicht einfach Ergebnis der Massenträgheit war, die mich in den Gurt drückte. Mit einer ANDEREN Frau? Hatte sie gerade »mit einer anderen Frau« gesagt? Ich war auf diese überraschend glückliche Art verwirrt, die immer dazu führte, dass ich das Erste sagte, was mir einfiel.
»Es war Babys Idee.« Und da war es schon passiert und meine Worte warfen, wie zu erwarten, kein allzu gutes Licht auf mich.
Bevor Irene mir antworten konnte, redete ich schnell weiter. »Ich meine, es war Babys Idee, dass wir tanzen gehen und ich mich ein wenig ablenke. Judith mit nach Hause zu nehmen, war allein meine Idee. Ich war plötzlich so leicht an diesem Abend, so sorgenfrei und mutig und so habe ich etwas getan, was ich mir bis dahin nicht gut vorstellen konnte. Ach ja, und ich war sturzbetrunken.«
Irene fuhr in einen Kreisverkehr und wir drehten dort schweigend zwei komplette Runden, bevor sie sich entschloss, eine Ausfahrt zu nehmen und zu antworten.
»Mich haben solche One-Night-Geschichten immer noch einsamer gemacht. Hat es dir gefallen?«
»Es war meine erste Erfahrung in dieser Richtung.« Das hatte ich schon mal geklärt. »Mir hat gefallen, dass ich Spaß hatte, ohne direkt eine Entscheidung für mein weiteres Leben treffen zu müssen. Das hatte ich so noch nie versucht.«
»Und du hast dich nicht verliebt?«
Doch das habe ich.
Sie setzte den Blinker und das einsetzende Ticken zählte die Zeit bis zu meiner Antwort mit. »In Judith?«
»Ja.«
»Nein.«
»Und du bist mir nicht mehr böse, dass ich euch gestört habe?«
»Ich war dir nie böse und ich muss mich immer noch für die schönen Blumen bedanken.«
»Gerne. In Zukunft rufe ich aber an, bevor ich vorbeikomme.«
»Oder du gehst beim nächsten Mal mit mir tanzen und sorgst dafür, dass ich brav bleibe.« Wo war denn dieser Satz hergekommen? Irene schien er aber zu gefallen.
»Ich war schon ewig nicht mehr tanzen. Wäre das denn in Ordnung, wenn ich mitkomme? Ich meine, da sind doch wahrscheinlich sonst nur lesbische Frauen, oder?«
»Ich vermute es, wird aber am Eingang sehr schlampig kontrolliert.«
Wir lachten und sahen uns endlich wieder richtig an.
»Dann gehe ich gerne mit dir tanzen. Und jetzt gehe ich zur Feier des Tages erst mal mit dir Eis essen.«
»Darf ich dann davon ausgehen, dass wir auf dem Weg zum Eiscafe B. sind?«
»Absolut.« Wir waren beide plötzlich grundlos gut gelaunt.
»Was ist dein Lieblingseis?« Irene durchfuhr den nächsten Kreisverkehr ordnungsgemäß in einem Zug.
»Der Eisbecher Geisha, mit Schokoladeneis statt Vanille.«
»Im Ernst? Das ist Markus’ Lieblingseis. Ihr seid euch wirklich ähnlich.«
Dieser Gedanke machte mir Angst und ich stellte mir lieber den Eisbecher »Geisha« vor, der gleich mit einer gewaltigen Portion Milchspeiseeis und einigen geschickt platzierten Mandarinen meinen Serotoninspiegel heben würde. Das machte mich gesprächig. »Wir sind da schon in der Schulzeit oft gewesen. Ich war mit fünfzehn sogar mal in eine der Kellnerinnen verliebt. Ältere Frau, neunzehn oder so. Bevor mir meine Gefühle allerdings richtig klar waren und sie mir daraufhin ihren Freund vorstellte, hatte ich schon fünf Kilo zugenommen.«
Irene lachte laut auf. »Warum hat Markus mir diese Geschichten nicht erzählt?«
Gute
Weitere Kostenlose Bücher