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Herz und Fuß

Herz und Fuß

Titel: Herz und Fuß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Bax
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Nirgendwo verbargen sich hinterhältige Übeltäter, weitere neugierige Haustiere oder eine ganz bestimmte leichtsinnige Mutter. Meine Wohnung in der ersten Etage und der Keller waren so leer wie das Erdgeschoss. Die Spülmaschine war verstummt, als ich wieder in die Küche kam, und ich öffnete sie und fächelte den Dampf ungeduldig zur Seite. Wenn ich heute Abend etwas für uns beide kochen wollte, musste ich jetzt herausfinden, ob meine Mutter nur kurz die Nachbarn besuchte oder den Abend im Gemeindezentrum verbrachte. Ich fand meine Tasche, wählte ihre Nummer und ihr Handy übergab mich vollkommen uninteressiert an die Mailbox. Meine Nachricht fiel kurz und unfreundlich aus, deshalb rief ich noch ein zweites Mal an und erklärte ihr, dass ich zu Hause auf sie warte und dass sie sich doch bitte melden solle.
     
    Fand heute irgendwo ein Kurs, der Stille verlangte, statt? Der Kalender an der Wand gab nichts preis, was aber nicht weiter komisch war, denn schließlich war er vollkommen veraltet und ErzEngel benutzte ihn seit Jahren nicht mehr. Sie hatte ihn auch in jenem Jahr, für das er gemacht war, nicht mit Eintragungen belästigt. Ihr gefiel das Motiv des Monats November, das über den längst vergangen Tagen einen gewaltigen, hellen Blitz zeigte, der in einen Baum schlug.
     
    Termine würde ich nur in ihrem Laptop finden, zu dem mir allerdings das Passwort fehlte. Ich ging ins Wohnzimmer und drückte eine Taste. Das Gerät war im Standby-Modus, aber die Frau, die es nicht schaffte, eine Tür ins Schloss zu ziehen, hatte sich natürlich sauber ausgeloggt. Keine Chance, hier an irgendwelche Daten zu kommen, alle ihre Passwörter entsprachen einem Standard, den sonst nur Nationen im Krieg einhielten. Mein Magen klopfte von der ganzen Aufregung mittlerweile in einem unangenehmen Rhythmus. Ich rief mich zur Ruhe und ging in meine Wohnung. Da für heute kein gemeinsamer Abend geplant war, gab es eigentlich auch keinen Grund, warum meine Mutter zu Hause sein sollte. Und es gab auch keinen Grund für mich, beunruhigt zu sein, schließlich war es ja nicht das erste Mal, dass sie die Tür offen gelassen hatte. Trotzdem schlich ich in den folgenden Stunden immer wieder durch das stille Haus und wählte ihre Nummer alle dreißig Minuten.
     
    Als es begann dunkel zu werden, ohne dass ich ein Wort von ErzEngel gehört hatte, ging ich hinüber zum Gemeindehaus, in dem aber nur der Chor probte. Ein Chormitglied, das auch in der Selbstverteidigungsgruppe war, versorgte mich bereitwillig mit den Nummern der anderen Teilnehmerinnen und versehentlich auch mit der Nummer einer Enkelin, die gerade zu einem Austauschjahr in der USA weilte, wie ich nach einem kurzen Gespräch mit ihr feststellen konnte. Montana gefiel ihr gut und ich musste versprechen, ihre Oma von ihr zu grüßen. Das tat ich natürlich, entschuldigte mich für die Störung und wählte die anderen Nummern vorsichtiger. Niemand wusste, wo ErzEngel war. Niemand hatte sie heute gesehen. Ich klingelte bei den Nachbarn. Keiner hatte meine Mutter gesehen. Nur Westermanns von gegenüber waren sich ziemlich sicher, dass meine Mutter am Morgen das Haus verlassen und am Mittag nach Hause gekommen sei, möglicherweise in Begleitung. Sie waren sich nur nicht vollkommen sicher, ob sie nicht vielleicht auch alleine gewesen war. Und ob es nicht auch gestern gewesen sein könnte, dass sie sie zufällig aus dem Fenster gesehen hatten. An dieser Stelle gerieten sie in Streit und ich ging wieder zurück nach Hause. Um zehn Uhr kamen mir zum ersten Mal die Tränen. Ich hatte Duislexic mehrere Nachrichten auf seiner Mailbox hinterlassen, in der Hoffnung dass die beiden auf einer Mission waren, die das synchrone Abstellen ihrer Handys verlangte. Duislexic hatte aber den Tag einfach nur am Strand verschlafen und seit Beginn seines Urlaubs vor einer Woche nichts mehr von meiner Mutter gehört. »Kannst du dich in ihren Laptop einloggen?«
     
    Er kicherte. »Natürlich kann ich das. Aber nicht von hier aus und ich möchte es ohne ihre Erlaubnis auch nicht tun.«
     
    »Sie ist verschwunden!«, schrie ich in den Hörer, bevor ich auflegte, und hatte es damit zum ersten Mal ausgesprochen. Ich nahm meinen Schlüssel und das Handy und ging alle Punkte, die meine Mutter außerhalb unseres Hauses erreichen konnte, nacheinander ab, ständig hoffend, dass mir irgendwo die beiden wippenden, weißen Zöpfe entgegenkommen würden. Am Rhein saß ein fremdes Liebespaar eng umschlungen auf der Bank,

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