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Herz und Fuß

Herz und Fuß

Titel: Herz und Fuß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Bax
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der Laptop war aufgeklappt und summte leise.
     
    »Mutti?« Ich wechselte in die Küche. Die Spülmaschine lief und zeigte an, dass sie in wenigen Minuten mit dem automatischen Trocknen beginnen würde. ErzEngel konnte nicht weit sein. Ich warf einen Blick ins Schlafzimmer und in den Garten, aber meine Mutter war nirgends zu sehen. Ich schob die Gardine am Küchenfenster zur Seite und sah hinaus. Auf der Straße parkte kein Auto und das hieß, dass unser Haus ohne ständige polizeiliche Überwachung war und nur ab und zu von einer Streife kontrolliert wurde. Das war ja absehbar gewesen. Personalmangel, hatte man der Rentnergruppe erklärt, die sich nach ihrer lückenhaften Bewachung am Gemeindezentrum erkundigt hatte. Ich zupfte die Gardine wieder gerade und lauschte in die Stille, die ihrem Namen alle Ehre machte. Auf der Digitaluhr an der Wand war es 15.31 Uhr. Die Spülmaschine brauchte für einen Spülgang genau zwei Stunden und fünfundzwanzig Minuten und wenn ErzEngel kurz nach dem Anstellen des Gerätes das Haus verlassen hatte, konnte wer weiß wer in der Zwischenzeit die Chance für einen Kurzbesuch genutzt haben. Und war inzwischen möglicherweise mit allen tragbaren Wertsachen verschwunden. Ich rief mich zur Ruhe, der Laptop war noch da und das sprach gegen eilige Diebe. Alle Schubladen waren geschlossen, nirgendwo war etwas in Unordnung. Diebe würden ein Haus so nicht hinterlassen.
     
    Aber was, wenn kein Gelegenheitsdieb die offene Tür gesehen hatte, sondern jemand, der auf eine Möglichkeit wartete, ungesehen ins Haus zu gelangen? Mir wurde kalt und ich nahm mir ein großes Küchenmesser aus der Schublade, bevor ich weiterging. Als ich mit dem gezückten Bratenschneider am großen Spiegel im Flur vorbeikam, konnte ich sehen, dass ich wirklich so lächerlich aussah, wie ich mich fühlte. Ich rief noch einmal laut nach meiner Mutter. Nichts. Wieso ließ ErzEngel die Tür jetzt auch schon offen, wenn sie das Haus verließ? Ich kontrollierte vorsichtig die Schlafzimmerschränke und den Vorratsraum in der Küche. Wie immer hatte meine Mutter auf der linken Seite der kleinen Kammer unzählige Konserven von jeder denkbaren Eintopfvariante säuberlich und mit den Etiketten nach vorn in die Regale gestapelt. Im rechten Regal standen Haferflocken und Grieß zusammen mit großen Tüten getrockneten Obstes, Streichhölzern und Kerzen. Es sah aus, als ob sie sich auf einen atomaren Winter vorbereitete. Mir fiel auf, dass ich sie noch nie Eintopf oder Trockenobst hatte essen sehen, und das erschien mir, die ich gerade am helllichten Tag mit einem Küchenmesser durchs Haus schlich, nicht ganz normal. War meine Mutter doch nicht so klar, wie sie immer vorgab? Gab es vielleicht doch Augenblicke, in denen sie sich nicht bewusst war, was sie tat? Der Gedanke beunruhigte mich fast noch mehr als die potentielle Anwesenheit eines Fremden im Haus. Ich lockerte meinen Griff um den schwarzen Griff des Messers und im selbem Moment knackte es irgendwo im Keller. Kurz und zwei Mal.
     
    Knack.
     
    Knack.
     
    Dann wieder Stille.
     
    So, als ob jemand genauso intensiv in die Stille lauschte wie ich.
     
    Ich hielt den Atem an.
     
    Knack.
     
    Stille.
     
    Knack.
     
    In meiner Lunge wurde es eng. Ich atmete wieder ein.
     
    Knack. Knack.
     
    Das klang, als käme jemand langsam und vorsichtig die Kellertreppe hinauf und bemühte sich, auf den alten Holzstufen kein Geräusch zu machen. Noch ein Knack. Dieses Mal näher. Ich umklammerte das Messer wieder ganz fest und stand vollkommen still. Meine Gedanken rasten. Wo war mein Handy eigentlich? In meiner Tasche?
     
    Und wo war die?
     
    Ich sah mich wild um.
     
    Hier war sie nicht.
     
    Ich musste hier raus.
     
    Konnte ich es bis zur Tür schaffen, bevor der Eindringling mich erreicht hatte?
     
    Konnte ich nicht, denn ein leises Tapsen war plötzlich auf den Fliesen im Flur zu hören und Ulf, der dicke Kater der Westermanns, erschien in der Küchentür. Er warf mir und dem Messer einen misstrauischen Blick zu und setzte sich dann anklagend vor die verschlossene Haustür. Mein ganzer Körper klopfte unter den heftigen Schlägen eines Organs, das ich nicht besaß, und ich verweigerte dem schnurrenden Ulf jede Streicheleinheit, bevor er sichtbar beleidigt durch die Tür, die ich spaltbreit öffnete, verschwand. Wieder allein, nahm ich einen großen Schluck des viel zu kalten Wassers, das im Kühlschrank meiner Mutter stand, und durchsuchte jeden Raum im ganzen Haus gründlich.

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