Herz und Fuß
glücklich-traurigen Abend nicht allein verbringen.
»Hättest du Lust, mit mir auf die guten Nachrichten anzustoßen? Oder eher darauf, dass meine schlimmsten Befürchtungen nicht wahr geworden sind? Wir bestellen uns eine Pizza und ich mache diesen sündhaft teuren Prosecco auf, der schon seit zwei Monaten im Keller steht.«
Irene räumte das weiße T-Shirt, das sie in den Nächten getragen hatte, in ihre Tasche und der Anblick tat mir weh.
»Welche Pizza?« Sie sah mich lächelnd an.
Ich lächelte zurück. »Alles außer Ananas! Du darfst bestellen.« Ich hätte für einen weiteren Abend mit ihr sogar Ananas-Pizza gegessen, aber das wollte ich erst als letzte Möglichkeit einsetzen.
»Rucola mit Parma?« Sie griff nach ihrem Handy.
»Großartige Wahl. Die Nummer der Pizzeria hängt am Kühlschrank.«
Ich nutzte die Zeit bis zur Ankunft der Pizza, um noch einmal im Krankenhaus anzurufen, aber an ErzEngels Zustand hatte sich nicht viel geändert. Sie sprach sehr gut auf die Behandlung an, wusste, dass sie sich in einem Krankenhaus befand, war ruhig und schlief, versicherte mir eine Schwester.
»Hat sie sich nach mir erkundigt?«
Die Schwester vermied es, das zu verneinen und beruhigte mich aus einem Repertoire, das sie für solche Fälle hatte. »Bis jetzt sind wir sehr zufrieden mit den Fortschritten, die sie macht. Sie beginnt sich zu orientieren. Warten Sie mal den morgigen Tag ab. Und bringen Sie ihr doch bitte ein paar Sachen zum Wechseln mit.«
Auf diese Idee hätte ich natürlich auch selber kommen können, schalt ich mich und suchte in ErzEngels Schlafzimmer zwei Nachthemden, Unterwäsche, einen Bademantel und Hausschuhe zusammen. Dann packte ich noch ihren Kulturbeutel, der seit Jahren unbenutzt im Schrank lag, und füllte ihn mit Kosmetikartikeln. Als es an der Tür klingelte, zuckte ich unwillkürlich zusammen.
»Das ist die Pizza. Ich geh schon.« Mir gefiel die selbstverständliche Art, mit der Irene sich in meiner Wohnung bewegte. Sie hatte den Tisch für uns gedeckt und sprang jetzt auf Socken die Treppe hinab, um die Tür zu öffnen. Ich öffnete den gekühlten Prosecco und ließ ihn in die schlanken Gläser perlen. Diese Alltäglichkeit mit einer Frau hatte mir mit IHR immer gefehlt. Diese vielen kleinen Sachen, aus denen sich das Leben zusammensetzte, und die so wichtig wurden, wenn man sie mit jemandem teilen konnte, die man liebte. Irene öffnete den Pizzakarton, klappte den Deckel nach hinten und stellte die Pizza auf den Tisch. Ein wunderbarer Duft nach heißem Hefeteig, Knoblauch und Oregano durchzog den Raum.
»Auf deine Mutter und darauf, dass sie bald wieder gesund wird.« Irene hob ihr Glas und neigte es meinem zu.
»Auf die wunderbare Freundin, die sich in den letzten Tagen um mich gekümmert hat.« Ich ließ mein Glas an ihres klingen und suchte ihren Blick. Irene sah auf ihren Teller.
»Wir müssen uns beim Prosten ansehen, das bringt sonst Unglück.«
Sie lachte und sah mich kurz an. »Ich dachte, das bringt sieben Jahre schlechten Sex.«
»Das auch! Aber das wäre für mich kein Problem, das halbe Jahr bekomme ich auch noch um«, scherzte ich, wie ich es immer tat, wenn dieses Thema aufkam.
»Ach, und mein Sexleben ist dir egal?« Sie nahm einen zu großen Schluck des leicht goldenen Getränks und ihre Lippen glänzten feucht.
Eben nicht, wollte ich sagen, deshalb habe ich ja so fürsorglich darauf hingewiesen. Oder »Markus hat mir streng verboten mit dir blicklos anzustoßen«, aber ich sagte: »Es gibt nichts an dir, was mir egal ist«, und sorgte dafür, dass sie sich an ihrem Getränk verschluckte.
Wir aßen die ganze Pizza und redeten dabei, als kämen wir beide aus einem mehrmonatigen Schweigegelübde. Irene erzählte von den Hochzeitsvorbereitungen und wie belanglos sie diese ganze Formalität immer wieder fand. »Warum soll ich meine Beziehung mit einer Unterschrift beglaubigen lassen?« Sie deutete mit der Gabel auf die fehlenden Bilder an meiner Wand. »Hättest du SIE gerne geheiratet?«
Ich brauchte nicht zu überlegen. »Ja, sehr gerne. Aber gerade das stand ja nie zur Debatte.«
»Kannst du dir vorstellen, dich jemals wieder so zu verlieben, dass du heiraten möchtest?« Irene sah interessiert einen Fettfleck auf dem Pizzakarton an. Sie sah so süß aus. Ihre Wangen waren leicht gerötet und eine Haarsträhne fiel ihr widerspenstig in die Stirn.
In einem Film
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