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Herz und Fuß

Herz und Fuß

Titel: Herz und Fuß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Bax
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Rheinauen gefunden. Vielleicht hast du dich verlaufen. Vielleicht warst du auf dem Weg zu Papas Bank?«
     
    »Verlaufen? Ich kann mich nicht erinnern. Nur an die Schnecken und die heiße Sonne, das habe ich der Ärztin auch schon gesagt.«
     
    »Das kommt schon noch.«
     
    Sie nahm meine Hand wieder und quetschte sie zusammen.
     
    »Es tut mir so leid, dass du dir Sorgen gemacht hast, Otter. Sehr, sehr leid. Und dass ich dich allein lassen musste, war schrecklich.«
     
    Etwas an ihrer Formulierung ließ mich aufhorchen, aber ihr Blick lag so traurig auf mir, dass ich nicht lange darüber nachdachte.
     
    »Irene war bei mir, weißt du. Sie hat mit mir gewartet und wir haben gemeinsam nach dir gesucht.« Ich wollte so gerne von Irene erzählen.
     
    »Sie tut dir gut.« Das war ein Satz, wie ErzEngel ihn sagte, und das machte mich glücklich.
     
    »Jetzt ist wieder alles gut.« Ich betrachtete unsere ineinander verschlungenen Hände.
     
    »Nicht ganz.« Die Trauer kehrte zurück in ihr Gesicht.
     
    Dass sie das wusste, war doch bestimmt ein gutes Zeichen. Ich bestärkte sie sofort.
     
    »Nein, aber den Rest bringen wir auch noch in Ordnung.«
     
    »Es wird uns gar nichts anderes übrig bleiben.« Sie schloss kurz die Augen und als sie mich danach wieder ansah, lag etwas sehr Trauriges, aber Entschlossenes in ihrem Blick. Etwas, das ich bei einer Frau in ihrer Situation nicht vermutet hätte.
     
    Ich blieb bis zum Abend, dann schickte mich die Ärztin nach Hause. »Sie sehen aus, als könnten Sie auch dringend etwas Schlaf brauchen.« Netterweise wies sie mich nicht darauf hin, mir das schon gestern geraten zu haben.
     
    »Wann kann meine Mutter nach Hause?«
     
    »Ich denke schon bald. Bis jetzt sind ihre Untersuchungen ohne Befund und da sich der Zustand ihrer Mutter auch rasch bessert, gehen wir jetzt von einem möglichen Hitzschlag mit Dehydrierung und weniger von anderen Erkrankungen aus.«
     
    »Das ist wunderbar.« Ich lächelte die Ärztin an und mir fiel erst jetzt auf, dass sie ein ganz klein wenig Ähnlichkeit mit Irene hatte. Es war nicht viel, es war nur ein Hauch in der Art, wie sie den Mund beim Lächeln verzog, aber es reichte, um meinen Mund an unsere Küsse zu erinnern. Ich schwankte leicht und sie stabilisierte mich mit einem schnellen Griff.
     
    »Haben Sie heute schon etwas gegessen?«
     
    Ich löste mich aus ihrem Griff und schaute auf das oft gereinigte Linoleum, das den Gang bedeckte.
     
    »Heute nicht, nein.«
     
    Sie lächelte »Dann holen Sie das schnell nach oder wollen Sie ihrer Mutter hier Gesellschaft leisten?«
     

Das Haus war nicht leer,
     
    es war zu leer. Es hatte diese »hier fehlt jemand« Aura und es war nicht nur ErzEngel, die fehlte. Ich kontrollierte das Festnetz, aber es hatte niemand angerufen. Um ganz sicher zu gehen, dass beide Geräte ordnungsgemäß funktionierten, rief ich erst vom Handy und dann vom Festnetz bei Baby an, die sich meinen Kommunikationseifer schnell erklärt hatte.
     
    »Sie hat noch nicht angerufen?«
     
    »Bis jetzt nicht, nein.« Es fiel mir schwer, das zu sagen, es fiel mir auch schwer, das zu ertragen. Ich kaute lustlos an einer Scheibe Knäckebrot mit Käse.
     
    Baby spürte meine Verzweiflung und entschloss sich, nur wenige ausgesuchte Salzkörner in meinen offenen Wunden zu verreiben. »Wenn es so intensiv war, wie du gesagt hast, dann muss sie doch jetzt auch eine Menge nachdenken, oder? Ich meine, sie ist verlobt und steht kurz vor der Hochzeit. Gib ihr Zeit.«
     
    »Du hast recht.«
     
    Baby stand kurz vor ihrem Heimflug und kündigte ihren Besuch für den nächsten Tag an, bevor wir auflegten. Ich presste das restliche, sperrige Brot durch die Speiseröhre in Richtung Magen, der sich über die Abwechslung nicht sonderlich freute. Ich fegte ein paar Krümel von meinem Pullover. Dann von meiner Hose. Ich machte die Musik an und sofort wieder aus. Ich durchschaltete zweiunddreißig TV-Kanäle und hielt nur kurz beim Homeshoppingkanal inne, weil es dort Prosecco in Kisten und einen Parmaschinkenschneider gab. Ich lief durch das ganze Haus und konnte mich nicht setzen. Das Bett, das noch genauso aussah, wie ich es verlassen hatte, verursachte mir Magenschmerzen. Oder es war das Knäckebrot. Oder beides. Es war erst acht Uhr und ich musste irgendetwas tun. Etwas an der Art, wie die Wand mit den blassen Rechtecken mich musterte, machte mich plötzlich wütend. SIE machte mich plötzlich wütend, ich und meine ewige Jagd nach

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