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Herzbesetzer (German Edition)

Herzbesetzer (German Edition)

Titel: Herzbesetzer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.A. Wegberg
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er irgendwas braucht oder ob ich sonst was für ihn tun kann. Aber die Antwort lautet: »Er sagt, es ist nicht nötig, dass du kommst. Und mal ganz ehrlich, ich glaube, das würde auch nicht viel bringen. Bis Sonntag ist er bestimmt wieder soweit ansprechbar, aber im Moment … na ja. Kümmer du dich mal um den Kleinen. Wie kommt der denn damit zurecht?«
    Ich blicke noch mal zu Anoki rüber. »Nicht besonders«, sage ich. »Und ich auch nicht.« Das musste mal gesagt werden, auch wenn die gesamte Familie Trojan zu der Auffassung neigt, dass ich keinen Anspruch auf eigene Gefühle habe, insbesondere nicht auf solche wie Trauer, Verletztheit oder Angst. 
    »Wie geht’s ihm?«, fragt Anoki, nachdem ich das Gespräch beendet habe, und dabei blickt er sogar vom Bildschirm hoch. Er sorgt sich wohl mehr um meinen Vater, als er aus coolnesstechnischen Gründen zugeben kann.
    Ich bringe ihn auf den neusten Stand und schlage ihm anschließend vor, heute Abend zu seiner Lieblingspizzeria zu gehen, und mitten in seinen Freudentaumel hinein (»Meinetwegen …«) macht sich mein Handy bemerkbar. Ich bin mit meinen Gedanken noch bei meinem Vater und befürchte, es könnte Tante Anette sein, die mir eine Verschlechterung seines Geisteszustands melden will, aber es ist Judith: »Denkst du bitte daran, dass du heute Abend die Mittelmeer-Kataloge mitbringst?« Fuck! Das hab ich total vergessen. Wir sind für heute Abend verabredet; Judith will mich bekochen und noch mal über unsere Reise reden, das heißt, wahrscheinlich wird sie mich mit Apfelkuchen gefügig machen und dann ihre Wunschvorstellungen durchsetzen. Ich schiele ängstlich zu Anoki rüber, denn ich weiß, was mich erwartet.
    »Ähm, ach so, ja … Also, weißt du … Ich glaub, das passt heute nicht so gut«, stottere ich. Wie immer lässt Judith sich keinerlei Unmut anmerken.
    »Nein? Was ist denn los, Schatz? Du hörst dich komisch an.«
    »Ja, ich bin auch komisch«, sage ich, »das liegt vermutlich daran, dass meine Mutter sich mit unbekanntem Ziel aus dem Staub gemacht hat und dass mein Vater möglicherweise durchdreht und dass Anoki gestern Abend überraschend vor meiner Haustür saß und dass ich heute blaugemacht hab.« Ach ja, und dass ich dich mit Janine betrogen habe.
    Judith reagiert angemessen teilnahmsvoll und erkundigt sich nach Details, während Anoki zunehmend heftiger auf der Tastatur meines Laptops herumhämmert und den Bildschirm in ein einziges Blutbad verwandelt.
    Dann sagt Judith mit der größten Selbstverständlichkeit: »Also kommt ihr nachher alle beide zum Essen, ja? Mag Anoki denn Couscous?«
    Auweia. Wie komm ich da jetzt wieder raus? »Ähm, ja, ganz bestimmt, aber du müsstest vielleicht … ein bisschen mehr machen«, sage ich schwach. Ich hoffe, dass sie den Hinweis versteht. Anoki hat ihn jedenfalls verstanden, denn er hebt ruckartig den Kopf und starrt mich unter halb geschlossenen Lidern an. Kaum habe ich das Gespräch beendet, geht das Theater schon los.
    »Hab ich das richtig verstanden? Du willst heute Abend da hingehen?«
    Ich wünschte, er würde sie nur ein einziges Mal bei ihrem Namen nennen.
    »Ja – du und ich«, erkläre ich und hoffe, dass ich dabei die notwendige Festigkeit kommuniziere.
    Anoki springt auf. »Spinnst du? Was soll ich denn da? Das muss ich mir nicht antun!«
    Ich bin jetzt wirklich froh, dass ich meine Tabletten genommen habe. »Du kannst mit Unas Barbies spielen«, sage ich kalt. »Mach jetzt keine Szene. Du benimmst dich wie eine verwöhnte Tussi.«
    Anoki marschiert im Zimmer auf und ab, wobei er ziemlich oft wenden muss – für mehr als zwei Schritte in eine Richtung ist es leider zu klein.
    »Okay! Ich bin ’ne verwöhnte Tussi! Aber da geh ich nicht mit hin! Schmink dir das mal ab!« Irgendetwas an der Art, wie er dabei erregt gestikuliert, erinnert mich an ein Shakespeare-Drama, und ich kann mir das Lachen einfach nicht verkneifen.
    Anoki hält mit erhobenen Armen inne und starrt mich ungläubig an. Dann prustet er ebenfalls los.
    Mich würde interessieren, ob es möglich ist, sich mit Anoki dauerhaft, ernsthaft und erbittert zu zanken. Also – ich kann es jedenfalls nicht. Entweder bringt er mich zum Lachen, oder ich zerfließe vor Liebe, auf jeden Fall schaffe ich es nicht, länger als zehn Minuten wütend auf ihn zu sein, und er hat da offenbar auch seine Schwierigkeiten. Die Frage, ob er heute Abend mit zu Judith geht oder nicht, haben wir nicht geklärt, aber ich bin fest entschlossen, mich

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