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Herzbesetzer (German Edition)

Herzbesetzer (German Edition)

Titel: Herzbesetzer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.A. Wegberg
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Immerhin hat er die Party fast ganz alleine vorbereitet«, denn sie schnappt hörbar nach Luft und verlässt stampfend den Raum. Mir war gar nicht bewusst, dass es irgendeinen Konflikt gegeben hat, und ich folge ihr erschrocken. Hab ich was Falsches gesagt? Judith ist nach oben in mein Zimmer gestürmt, wo sie jetzt auf der Bettkante sitzt, das Gesicht in den Händen vergraben. Ich setze mich neben sie und lege den Arm um sie.
    »Hey«, sage ich sanft, »was ist denn los? Bist du sauer auf mich?« Ich küsse ihren Nacken. Sie bleibt unbeweglich sitzen und nimmt die Hände nicht weg. Dann richtet sie sich ruckartig auf und stößt hervor: »Warum lässt du zu, dass Anoki sich alles erlaubt? Merkst du nicht, wie er uns gegeneinander ausspielt?«
    Ich bin erstaunt. »Das ist jetzt aber unfair«, sage ich mit leisem Tadel. »Weißt du, was ich gedacht hatte? Dass er wegen unserer Verlobung total ausrasten würde. Stattdessen hat er diese Überraschungsfeier organisiert, die Torte gebacken und alles. Das war doch … sehr lieb von ihm!«
    »Jaja. Hätt ich mir ja denken können, dass du ihn wieder in Schutz nimmst«, ätzt Judith. »Wieso hab ich überhaupt was gesagt? Das werd ich wohl nie erleben, dass du mal für mich Partei ergreifst.«
    Uff! Ich wünschte, wir hätten noch ein paar Stücke Torte, um alles wieder schwerelos zu machen. 
    Als wir eine halbe Stunde später und um eine nervtötende Auseinandersetzung reicher wieder nach unten gehen, räumt Anoki gerade den Staubsauger zurück in den Abstellraum. Das Wohnzimmer erstrahlt im Glanze keimfreier Sauberkeit; er hat sogar eine frische Tischdecke aufgelegt und den Sofakissen Öhrchen verpasst. Judith und ich wechseln einen stummen Blick. In ihrem lese ich Beschämung, während meiner vermutlich schwerpunktmäßig Triumph spiegelt.
    »Wie sieht’s aus, ihr langweiligen alten Säcke, gehen wir schwimmen?«, fragt Anoki fröhlich. »Oder wollt ihr euch lieber noch ’ne Runde fetzen?«
    Ich wünschte, ich wüsste ein einziges Mal, ob er wirklich so unbekümmert ist oder ob das zu einem unvorstellbar raffinierten Plan gehört.
    Judith hat keinen Badeanzug dabei, aber sie ist ja jetzt ein vollwertiges Mitglied der Familie Trojan, also genügt ein Anruf bei ihrer neuen Busenfreundin und Tangopartnerin Andrea, die nicht nur unverzüglich einen Leihbikini vorbeibringt, sondern uns auch zum See begleiten will. Anoki galoppiert voran, wir vorgeblich Erwachsenen schlendern mit Handtüchern, Liegematten, Proviant, Sonnenmilch, Insektenschutzmittel und zwei aufblasbaren Luftmatratzen bepackt hinterher. Als wir die Alt Ruppiner Allee überquert haben, bemerke ich das Ungleichgewicht und stoße einen schrillen Pfiff aus, der einen Schäferhund, eine blonde Grundschülerin und Anoki dazu veranlasst, sich zu mir umzudrehen. Letzteren winke ich zu mir heran und hänge ihm eine der schweren Taschen über die Schulter. »Hier, Zuckerbärchen. Lass deinen gebrechlichen alten Bruder nicht alles alleine schleppen.«
    Ohne ein Zeichen von Unmut hüpft Anoki mit der Tasche davon. Ich fange Judiths Blick auf, eine Mischung aus Bewunderung und Ärger. Sehr zu meiner Freude sagt Andrea: »Das ist vielleicht ein Schlawiner! Wenn man den nicht rannimmt, macht er gar nichts. Aber gutmütig ist er ja ohne Ende.«
    An der Badestelle trifft Anoki ein paar Jungs aus seiner Schule und schließt sich ihnen an. Ich beobachte die Gruppe so unauffällig wie möglich und stelle fest: Anoki ragt einfach heraus. Jedenfalls im übertragenen Sinne. Er ist nicht besonders groß, aber die anderen Vierzehn- und Fünfzehnjährigen sind unfertige, picklige, magere oder total fehlproportionierte Hänflinge und erinnern mich an nicht zu Ende gebackene Brötchen. Anoki dagegen ist ein Gott, schön, stark, wohlgeformt und im vollen Bewusstsein seiner Jugend und Kraft, zwar wie die anderen genau auf der Schwelle vom Kind zum Mann, aber von beidem nur das Beste verkörpernd. Die fünf Jungs liefern sich die üblichen Hähnchenkämpfe, schubsen und stoßen sich, tauchen sich gegenseitig unter, überbieten einander in der Verwendung übelster Fäkalausdrücke und trainieren ihre Muskeln – so eine Art Welpenspielstunde. Da bildet Anoki keine Ausnahme. Es ist ein zwiespältiges Gefühl, ihn so zu sehen, in seinem eigenen Element: einerseits erfüllt es mich mit Glück und Befriedigung, dass er dazugehört und sich so mühelos einfügt, andererseits peinigt mich ein Stich von Eifersucht und Wehmut, weil das für mich

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