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Herzbesetzer (German Edition)

Herzbesetzer (German Edition)

Titel: Herzbesetzer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.A. Wegberg
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fand. Wir haben über die Musik geredet, welchen Dancefloor wir am besten fanden und so. Aber dann haben wir beide angefangen, um die Wette zu gähnen, und Benni hat die Augen zugemacht und den Kopf an die Scheibe gelehnt.« Es ist schmerzhaft und zugleich reinigend, das alles noch mal aufleben zu lassen. Ich habe diese letzten Minuten in meinen Gedanken sehr, sehr oft rekapituliert. »Weißt du was?«, sage ich zu Anoki. »Ich bin wirklich froh, dass wir uns nicht am Ende noch gestritten haben oder so. Es war so total friedlich und entspannt, Benni war glücklich, und ich war stolz auf ihn, weil er vor meinen Kumpels einen guten Eindruck gemacht hatte.«
    Anoki guckt mich über den Rand seines Bechers hinweg an. »Und du bist echt am Steuer eingeschlafen? Kann ich mir gar nicht vorstellen.«
»Ich war total übermüdet«, sage ich. »Den ganzen Tag gearbeitet, dann von Berlin nach Neuruppin gefahren und dabei im Stau gestanden, anschließend noch zur Disco … Wir sind bis nach drei geblieben. Ich wollte eigentlich schon früher gehen, aber Benni hatte so viel Spaß, da hab ich es einfach nicht übers Herz gebracht.«
    Jetzt hebt Anoki ruckartig den Kopf, als hätte ich etwas Merkwürdiges gesagt, und sieht mich noch aufmerksamer an. »Dann ist das ja eigentlich nur passiert, weil du ihn so lieb hattest«, meint er.
    Zuerst denke ich, was für ein Quatsch, aber dann stelle ich fest, dass auch das eine Perspektive ist, die noch niemand vor ihm eingenommen hat. Und dass er da gerade einen Gedanken geäußert hat, der etwas zutiefst Tröstliches für mich hat. »Du bist schon ein schräger Vogel«, sage ich leise und meine es ziemlich liebevoll – wenn man bedenkt, dass ich ihn gestern Abend noch zu Brei zertreten wollte.  
    »Und wie war das bei dir?«, erkundige ich mich. »Ich meine, du hattest ja auch so ein › Erlebnis, das dein Leben verändert hat‹.« »Das kann man wohl sagen«, bestätigt Anoki und grinst ein bisschen über die Formulierung. Oder vielleicht auch vor Verlegenheit, denn bestimmt fällt es ihm genauso schwer wie mir, sich auf diesen entscheidenden Moment der Vergangenheit einzulassen, nach dem nichts mehr so war wie zuvor. »Eigentlich war’s so ähnlich wie bei dir«, sinniert er. »Total gute Stimmung im Auto. Hat auch was mit ’nem Auto zu tun, komisch, was?« Er strahlt mich an, als sei diese Parallele die Voraussetzung für eine lebenslange Seelenverwandtschaft. »Na ja, ich hab das doch schon erzählt«, fährt er fort. »Wir haben Musik gehört. The Clash. Mein Vater hat an manchen Stellen mitgesungen, und dann hat meine Mutter immer gelacht. Der singt nämlich nicht besonders gut. Aber dafür laut.«
    »Und wo wolltet ihr hin?«, frage ich.
    »Kein Plan«, sagt Anoki. »Alter, ich war zehn . Ich weiß nur, dass wir aus dem einen Haus da wegmussten, weil das abgerissen wurde. Da waren morgens schon die Baumaschinen vorgefahren. Fand ich ziemlich für’n Arsch, weil, da in der Nähe war so ’n geiler Badesee gewesen, wo ich mich immer mit paar Leuten getroffen hab. Aber wo wir von da aus hinwollten, weiß ich echt nicht. Hab nie so richtig zugehört, weißt du.«
    Er macht auch heute noch nicht den Eindruck, dass es ihn groß interessiert, was andere über ihn verfügen. Das wirkt ein bisschen gleichgültig, aber vielleicht lebt er einfach in seiner eigenen Welt. »Wir hatten jedenfalls unsere ganzen Sachen dabei«, erzählt er weiter. »War nicht besonders viel. Decken, Kochtöpfe, paar Lebensmittel, Klamotten.«
    Ich ziehe die Augenbrauen zusammen. »Wart ihr so richtige echte Squatter? Ihr hattet nie ein richtiges Zuhause? Auch nicht vorübergehend?« Anoki schüttelt nur die Dreadlocks. »Bist du denn überhaupt zur Schule gegangen?«
    Diesmal lächelt er provozierend und sagt: »Manchmal.« Ich frage mich, ob meine Eltern das wissen. Die werden sich noch wundern, glaube ich.

 
 
13
    Die Weihnachtsfeiertage lösen bei mir wie üblich heftige Fluchttendenzen aus. Diese Aneinanderreihung von Mahlzeiten, Spaziergängen und Leerlauf fühlt sich für mich an wie das Versinken in etwas Klebrigem. Je weniger ich tue, desto müder und erschöpfter werde ich, und am Ende habe ich kaum noch die Energie, mich aus dem Sessel zu kämpfen. Ich denke voller Wehmut darüber nach, was ich jetzt zu Hause alles machen könnte – Bilder bearbeiten, Porno-DVDs ansehen, mit Freunden in meiner Küche sitzen und saufen, meine E-Mails beantworten oder Janine vögeln. Stattdessen muss ich hier

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