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Herzbesetzer (German Edition)

Herzbesetzer (German Edition)

Titel: Herzbesetzer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.A. Wegberg
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eine wohldosierte, nicht zu starke und nicht zu schwache, klatschende Ohrfeige. Wortlos kehre ich um und rolle mich wieder in meinem Sessel zusammen. Anoki kommt nicht mehr ins Wohnzimmer zurück – er muss sich wohl direkt in sein Zimmer verkrochen haben. Ich hoffe, er denkt über seine Sünden nach.
    Sehr zu meinem Verdruss kriege ich nach rund zehn Minuten ein schlechtes Gewissen und werde unruhig. Ich kenne ihn noch nicht gut genug, um seine Reaktionen einschätzen zu können. Wer weiß, was er jetzt macht? Bestimmt ist er es nicht gewohnt, geschlagen zu werden – ich gehe davon aus, dass seine Eltern ihn gewaltfrei verzogen haben, und im Heim halten sie sich bestimmt auch zurück, damit sie nicht dauernd verklagt werden. Verdammter Mist! Bin ich zu weit gegangen? Eben fühlte es sich noch so befriedigend an, aber jetzt kann ich mich überhaupt nicht mehr auf den Film konzentrieren. Ich gähne demonstrativ und erkläre meinen Eltern: »Sorry, ich bin total müde. Ich geh ins Bett.« Sie gucken mich erstaunt an. Ich haste hoch und klopfe an Anokis Tür.
    Von drinnen kommt irgendein schwacher Ton, den ich als »Herein« deute. Anoki liegt bäuchlings auf dem Bett, den Kopf auf seinen Panther gestützt. Ich schließe sorgfältig die Tür hinter mir und sage: »Ich hasse es, wenn man versucht, mich zu verarschen.«
    »Hab ich ja gar nicht«, erwidert er sofort trotzig. »Ich hab dir sogar was davon abgegeben.«
    Für einen Moment bin ich irritiert, denn das stimmt: Mich hat er eigentlich nicht verarscht, bloß meine Eltern. Trotzdem – dass er den Wodka geklaut hat, war gegen meinen ausdrücklichen Willen. »Ich hab gesagt, du sollst die Flasche zurückbringen«, sage ich. »Und das hast du nicht getan. Also hast du mich hintergangen.«
    Er sieht mich verletzt an, dann dreht er sein Gesicht weg. Unbehaglich stehe ich im Zimmer rum und weiß nicht recht, wie es weitergehen soll. Ich bin drauf und dran, mich bei ihm zu entschuldigen. Ich! Bei ihm! Da fällt mein Blick auf ein Paar nagelneuer Nike-Turnschuhe neben dem Bett, an denen noch das Etikett hängt, und ich kriege die nächste Krise. Ich erinnere mich sehr genau, dass es bei Real einen Sonderposten exakt dieser Schuhe gab und wie lüstern Anoki ihn umkreist hat.
    Ich hebe die Turnschuhe hoch und sage schneidend: »Und was ist hiermit?« Er guckt kurz hoch und wendet sich sofort wieder ab. »Was hast du noch alles eingesackt?«, frage ich wütend. »Muss ich deinen Schrank durchwühlen oder was?«
    Anoki schnellt hoch und steht mir gegenüber. Er versucht, mir die Stirn zu bieten! Wie niedlich. Er ist rund zehn Zentimeter kleiner als ich. »Mach doch«, bockt er. »Räum alles raus! Wenn’s dir Freude macht!« Er erinnert mich an ein gereiztes Katzenbaby. Ich verspüre den Drang zu lachen, obwohl das hier gar nicht lustig ist. Irgendjemand muss jetzt vernünftig sein, und ich nehme an, das bin ich.  
    Ich lege Anoki den Arm um die Schultern und setze mich mit ihm aufs Bett. »Also, hör mal zu«, sage ich beruhigend, »jetzt lass uns mal vernünftig reden, ja?« Er stößt einen verächtlichen Laut aus und dreht sein Gesicht so weit wie möglich von mir weg. »Es ist doch so«, fahre ich unbeeindruckt fort: »Meine Eltern sind gutmütig, naiv und leicht zu beeinflussen. Aber eins können sie ums Verrecken nicht leiden: wenn man vom rechten Weg abweicht. Sie sind ausgesprochen tugendhafte, gesetzestreue Bürger, verstehst du? Ladendiebstahl ist für sie die Vorstufe zum internationalen Terrorismus.« Er verzieht das Gesicht zu einem ungewollten Grinsen. »Ich weiß ja nicht, ob du die Absicht hast hierzubleiben«, erkläre ich – und das weiß ich tatsächlich nicht –, »aber falls sie jemals rauskriegen, dass du irgendetwas Illegales machst, bist du schneller wieder im Heim, als du ›Sorry‹ sagen kannst.«
    »Warum?«, fragt Anoki merkwürdigerweise.
    »Wie warum?«, entgegne ich verständnislos. »So sind sie eben! Die meisten Leute in dem Alter sind so!«
    Anoki sieht ein bisschen ungläubig aus. »Meine Eltern fanden es gut, wenn ich was zum Haushalt beigesteuert habe«, behauptet er.
    Ich stelle mir vor, wie er losgeschickt wurde: »Liebling, könntest du noch mal schnell zum Supermarkt flitzen und mir einen Liter Milch klauen? Die hier ist sauer geworden!«, und fange an zu lachen, worauf Anoki eine bockige, wütende Miene zur Schau stellt, was mich noch mehr zum Lachen reizt. Er rammt mir den Ellbogen in die Rippen. Das kann ich mir natürlich

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