Herzbesetzer (German Edition)
hätte ich mich verbrannt, und sage: »Jajajaja, alles bestens, also, ich wünsch dir viel … äh, Erfolg. Ja. Pass auf dich auf.«
Anoki schnürt sich die Stiefel zu, steckt sein Handy in die Tasche und legt die Hand auf die Türklinke. Dann dreht er sich noch mal zu mir um und fragt schüchtern: »Was meinst du, seh ich gut aus?«
Ich seufze zittrig. »Allerdings.« Er lächelt, hebt die Hand zum Gruß und verschwindet.
Erstaunlicherweise lebe ich noch und bin körperlich unversehrt, als er nach Hause zurückkehrt. »Na, und? Wie war’s?«, dränge ich.
»Tja …«, grinst er und weidet sich an meiner Ungeduld. »Ziemlich gut«, erklärt er dann. »Die ist ganz schön niedlich.«
Niedlich! Mir platzt fast der Arsch.
»Weißt du was? Die spricht drei Sprachen. Fließend. Krass, was?«
Ich heuchele Begeisterung. »Ja, toll. Muss ’ne Musterschülerin sein«, sage ich.
»Nee, das kommt, weil ihr Vater irgendso’n Manager ist. Der wird dauernd versetzt. Die haben schon in Bolivien gelebt und in Frankreich. Und geboren ist die in der Schweiz.«
Ich schöpfe schwache Hoffnung. Vielleicht wird Sheelas Papa nächste Woche wieder versetzt, nach Papua-Neuguinea zum Beispiel. Oder ins Amazonasdelta.
Anoki erzählt noch eine Menge von seinem Date, und das meiste davon spiegelt Enthusiasmus, aber da ich sehr genau hinhöre, besonders zwischen den Zeilen sozusagen, entgeht mir nicht, dass da auch eine Nuance von Bindungsangst mitschwingt. Ich kenne das. Ich bin genauso. Frauen wollen immer so viel, das kann einen schon einschüchtern.
Ich nutze meine Erkenntnis gnadenlos aus. »Und, wann trefft ihr euch wieder?«, bohre ich.
Anoki zuckt die Schultern. »Mal sehen. Hab noch nichts festgemacht.«
»Das solltest du aber«, belehre ich ihn, »das erwartet sie von dir. Ich meine, wenn sie dir gefällt, musst du dranbleiben, sonst kommt der Nächste.« Befriedigt registriere ich den angstvollen Seitenblick, den er mir zuwirft. »Am besten rufst du sie morgen gleich an und verabredest dich mit ihr. Du kannst ja auch mal nach Dresden fahren«, treibe ich ihn noch weiter in die Enge. »Jetzt habt ihr euch ja kennengelernt, und da musst du dich ein bisschen positionieren. Wenn du dich nicht bemühst, wird sie glauben, sie ist dir gleichgültig. Und so, wie sie aussieht, hat sie es nicht nötig, dir dann noch länger hinterherzurennen.« Bingo! Jetzt ist er total in Panik.
»Na ja, da kann man dann auch nichts machen«, spielt er den Coolen, und ich kann förmlich sehen, wie er resigniert. Das ist ihm alles zu heftig. Er will sich auf gar keinen Fall festlegen und in Beschlag nehmen lassen. Nicht ohne Grund pflegt er seit Wochen diese fast anonyme Internetfreundschaft, statt sich beispielsweise mit seiner sehr viel greifbareren Ethel-Partnerin einzulassen, der kleine Schisser. Keiner kennt ihn so wie ich. Keiner versteht ihn so wie ich. Keiner liebt ihn so wie ich. Vielleicht kapiert er das ja irgendwann.
50
Anokis Date hat mich dazu gebracht, über meine eigene Situation nachzudenken. Ich könnte so was auch mal wieder brauchen. Seit Janines Abgang ist mein Sexleben ungefähr so aufregend wie ein Kreuzworträtselheft von der Supermarktkasse. Anoki nimmt einen viel zu großen Raum in meinen Gedanken und in meinem Herzen ein, als dass ich mich großartig um was anderes kümmern könnte. Wenn ich früher eine belebte Straße entlanggebummelt bin, hab ich nur lange Beine, runde Brüste und fröhlich blitzende Augen gesehen, und ich hätte am liebsten überall hingepackt. Jetzt halte ich die ganze Zeit Ausschau nach dunklen Dreadlocks oder kajalgeschwärzten großen Kinderaugen, und alles, was nicht in dieses Schema passt, wird umgehend aussortiert. Dabei will ich ihn ja vergessen! Ehrlich! Ich würde mich am liebsten heftig in irgendein nettes, hübsches, volljähriges Mädchen verlieben, notfalls würde ich sogar mit ihr zusammenziehen. Ich bin zu Zugeständnissen aller Art bereit. Aber ich kann es nicht erzwingen. Mein Herz und auch alle übrigen erforderlichen Körperteile verharren im Dämmerzustand – außer wenn mir Anoki gegenübersteht.
Ein weiteres Problem ist, dass ich jeden Freitag gleich von der Arbeit aus nach Neuruppin eile und erst spät am Sonntagabend wieder nach Hause fahre. Das schränkt meine Möglichkeiten ziemlich ein. Unter der Woche gehe ich nur selten weg, weil ich dafür meistens zu müde bin. Bestenfalls treffe ich mich mal mit Tom oder Olaf auf ein Bier. Und in Neuruppin lebe ich beinahe
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