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Herzbesetzer (German Edition)

Herzbesetzer (German Edition)

Titel: Herzbesetzer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.A. Wegberg
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er tötete das Viech, nicht ohne es zuvor noch ein bisschen gequält zu haben. Anoki war darüber so wütend, dass er selbst nach der Rückkehr in den Klassenraum noch zitterte, und schließlich konnte er sich nicht mehr beherrschen und hat den Tierquäler angegriffen, obwohl der Unterricht im vollen Gange war. Die beiden mussten gewaltsam auseinandergezerrt werden, und alle hatten gesehen, dass Anoki angefangen hatte. Der Lehrer hat ihn zwar halbherzig zu seinem Motiv befragt, fand es aber offensichtlich zu abgedreht, um es akzeptieren zu können.
    Ich will ja nicht behaupten, dass Anoki ein Musterkind ist, aber in beiden Fällen hat er meine volle Rückendeckung. Seine Strafen muss er trotzdem auf sich nehmen, und zwar sowohl von Seiten der Schule (Sportplatz sauber machen und einen vierseitigen Aufsatz über gewaltfreie Konfliktlösungen schreiben) als auch von Seiten meiner Eltern (einen Monat kein Taschengeld und nicht bei Nick übernachten). Ich wünschte, ich müsste nicht immer bis zum Wochenende warten, um ihn tröstend in den Arm zu nehmen. Das hat er gerne. Er kommt auch öfter zu mir und sucht Körperkontakt. Nicht dass ich mir auch nur das Geringste davon verspreche – mir ist klar, dass Anoki lediglich die berühmte Schulter zum Anlehnen sucht. Aber die stelle ich ihm freudig zur Verfügung, und ich bin froh, dass er nicht einer von diesen ruppigen Berührungsverweigerern ist wie die meisten seiner Altersgenossen (ich war übrigens auch einer). Immer noch schläft er Nacht für Nacht mit seinem Panther im Arm ein. So eine Blöße hätte ich mir ums Verrecken nicht gegeben.
    Außer den Schwierigkeiten in der Schule gibt es noch weitere Vorfälle. Anoki nutzt die ersten warmen Nächte, um mit Nick am Bollwerk abzuhängen, Bier zu trinken und Passanten anzupöbeln. Er sitzt auf der Rückbank eines geklauten Ford Focus, mit dem Danny einen geparkten BMW rammt. Er zieht sich Verbrennungen an beiden Unterarmen zu, als er und Nick in einem der leer stehenden Hangars am alten Flugplatz mit Feuer und Benzin experimentieren. Einmal lässt er sein Handy abends im Wohnzimmer liegen, und als es klingelt, geht mein Vater ran, nur um zu hören, wie ein unbekannter Halbwüchsiger »noch mal fünf Stück« ordert, nicht ohne sich zu erkundigen, ob man am Preis nicht noch was machen könne, weil er ja Stammkunde sei. Meine Eltern erteilen Anoki abends Ausgehverbot und sichern die Tür mit einem Zusatzschloss, für das er keinen Schlüssel hat, woraufhin er sich aus seinem Zimmerfenster abseilt und sich den Fuß verstaucht. Mehrmals kommt er mit zerrissenen Kleidungsstücken von der Schule zurück, manche tauchen auch gar nicht wieder auf. In seinem Zimmer häufen sich dafür Gegenstände, die er nicht mal hätte käuflich erwerben können, wenn ihm das Taschengeld verdoppelt statt gestrichen worden wäre.
    Meine Eltern, behauptet Anoki, streiten sich pausenlos. Ich fange an, ihm das zu glauben, denn sie müssen mit den Nerven am Ende sein. Als ich diesen Gedanken ausspreche, wird Anoki zuerst wütend, dann verzweifelt.
    »Ich will das doch gar nicht!«, beteuert er immer wieder. »Ich mach doch alles, damit die zufrieden mit mir sind!«
    In letzter Sekunde kann ich mein höhnisches Lachen unterdrücken. Ich weiß, dass Anoki an einem empfindlichen Punkt angelangt ist und nicht weiter gequält werden darf. Lieber lasse ich mir erklären, was genau er damit meint. »Ich räum dauernd mein Zimmer auf und geh einkaufen und putz das Bad … Ich hab mit deinem Vater die Fliesen für die Terrasse geschleppt … Ich helf beim Kochen … Ach, alles Mögliche, Mann! Alter, ich bin hier nur am Rotieren!«
    »Na ja, gut, das ist toll«, lobe ich Anoki zurückhaltend. »Aber mit deinen Eskapaden bringst du meine Eltern eben immer wieder an den Rand des Wahnsinns!«
    »Das sind keine Eska…dingens, ich kann doch nichts dafür, wenn mir einer die Jacke zerreißt, oder?«, faucht Anoki. An diesem Tag war er gerade mal wieder in eine Schlägerei verwickelt.
    »Nein, kannst du nicht«, sage ich nur und überlege mir, wie ich ihn wieder einigermaßen in die Spur kriege.
    Ich versuche auf meine Eltern einzuwirken und schlage ihnen vor, ihm mehr Verständnis entgegenzubringen.
    Meine Mutter geht hoch wie eine Silvesterrakete. »Verständnis? Was soll ich denn da verstehen? Dass er sich nicht an Regeln hält, dass er keinerlei Vorstellung von Recht und Gesetz hat, dass er ständig auf Konfrontation aus ist? Ich will dir mal was sagen,

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