Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Herzbesetzer (German Edition)

Herzbesetzer (German Edition)

Titel: Herzbesetzer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.A. Wegberg
Vom Netzwerk:
dem letzten Strohhalm.
    »Und danach?«, frage ich gespielt naiv. »Wenn sie im Bett ist? Was machst du dann?«
    Der Blick, den Judith mir zuwirft, ist rätselhaft. Bilde ich mir das ein, oder sehe ich da so was wie … Lust?
    »Tja, das Übliche«, erwidert sie. »Fernsehen, Backbücher lesen, vielleicht ein neues Rezept ausprobieren. Mit einer Freundin telefonieren. Ein Bad nehmen. Irgendso was.«
    Merkwürdig, wie klar ich auf einmal wieder denken kann, während noch vor einer halben Stunde mein gesamter Verstand in meiner Unterhose versammelt war. »Hm, das klingt ja – aufregend«, sage ich grinsend. »Ein Leben voller Überraschungen und unerwarteter Höhepunkte.«
    Sie guckt mich aufmerksam an, insbesondere beim letzten Wort. Danach schweige ich, lasse meine Blicke gelangweilt durch den Biergarten schweifen und zwei hübschen Studentinnen folgen, nehme den letzten Schluck aus meinem Glas und winke der Kellnerin, um die Rechnung zu bekommen. Judith räuspert sich.
    »Ähm, du könntest ja heute Abend noch mal anrufen«, ringt sie sich schließlich durch. »Dann könnte ich dir ganz genau sagen, wofür ich mich entschieden habe.« Und dabei lächelt sie kokett.
    Ihre Entscheidung war gut. Ihr hat’s gefallen, und mir auch. Das erste Mal ist ja sowieso immer das beste, finde ich, weil es aufregend und neu und spannend ist. Und Judith ist außerdem zärtlich und geschickt. Trotzdem liege ich wach und grüble, während sie an meiner Schulter winzige Schnarchgeräusche von sich gibt, und zwar nicht über unseren Hochzeitstermin oder ob Una nach der Adoption meinen Namen annehmen soll, sondern – na klar. Über Anoki. Dass ich ihn morgen Abend wiedersehe (endlich!). Und dass ich ihm von Judith erzählen werde, um ihn auf die Probe zu stellen. Ob er eifersüchtig wird? Im Stillen hoffe ich es. Ich bin so in meine Gedanken vertieft, dass ich Judith total vergessen habe, und als sie jetzt mit einer Art Röcheln erwacht, kriege ich einen Schreck. Auch sie sieht ein bisschen verstört aus.
    »Verflixt, wie spät ist es? Ich muss nach Hause, Una ist ganz alleine!«
    Mühsam schalte ich wieder um auf meine Rolle als einfühlsamer Liebhaber. »Wird sie manchmal nachts wach?«, erkundige ich mich mit geheuchelter Besorgnis.
    Judith rafft bereits ihre Klamotten zusammen. Sie trägt schlichte Baumwollunterwäsche, was mich erstaunlicherweise viel mehr anmacht als Janines neonfarbene Stringtangas mit den Strasssteinchen drauf.
    »Eigentlich nicht«, antwortet sie nervös, »aber du weißt ja, wie das ist – wenn man ein Mal nicht da ist.«
    Pff, ich hab nicht die leiseste Ahnung, wie das ist, aber was soll’s. Ich nicke verständnisvoll.       

 
 
58
    O ja, er ist eifersüchtig. Und wie! Er führt sich auf wie der brennende Dornbusch, nur dass er mir keine göttlichen Offenbarungen zuteil werden lässt, sondern höllische Beleidigungen. »Mit dieser Müslischale hast du gebumst? Das ist nicht dein Ernst! Wie habt ihr denn verhütet, mit ’nem Jutebeutel?«
    Ich lasse mir meine freudige Erregung nicht anmerken und spiele stattdessen den abgeklärten Lebemann. »Hör mal, was hast du denn für ’ne Ahnung von Verhütung? Du weißt doch noch nicht mal, wie man das schreibt. Pass mal lieber auf, dass dir der Nuckel nicht aus dem Mund fällt.« Wie erwartet bringe ich Anoki damit zum Kochen.
    »Und außerdem ist die noch älter als du!«, ruft er angewidert, als hätte ich eine Art Leichenschändung begangen. »Bah, du bist echt voll pervers!«
»Jetzt komm mal wieder runter, ja?«, sage ich streng. »Du redest mit deinem erwachsenen Bruder und nicht mit einem von deinen pickligen Autoknackerfreunden.«
    Anoki verstummt und starrt mit stumpfem Blick auf den Boden. Hat ihn das wirklich so im Innersten getroffen, dass ich was mit Judith angefangen habe? Hat er vielleicht doch geglaubt …? Und kann es wirklich sein, dass er deswegen … enttäuscht ist? Ach Unsinn, jetzt steigere ich mich in etwas rein. Er ist einfach nur wütend, weil ich es gewagt habe, ihn von seinem Sockel zu stoßen. Weil er nicht mehr der Nabel der Welt ist. Das ist alles. Er ist ein egomanischer, selbstsüchtiger Teenager mit dem Anspruch auf völlige Alleinherrschaft, sonst nichts. Und dass er mich so traurig ansieht … das liegt bloß an der Beleuchtung.
    Außerdem gibt es ein viel ernsteres Problem: meine Mutter. Genauer gesagt, ihre Abwesenheit. Sie ist nämlich nicht da, als ich am Freitagabend in Neuruppin eintreffe, und wie es scheint,

Weitere Kostenlose Bücher