Herzblut 02 - Stärker als der Tod
kurz um. Die beiden Vampire standen sich immer noch in der Tür gegenüber. Wollten sie sich gleich aufeinanderstürzen wie Tiere, die um ihr Revier kämpften?
Meine Panik wuchs, und dadurch drangen die Gedanken der Vampire zu mir durch.
Bist du immer noch verliebt in das, was du nicht haben kannst, alter Freund? , dachte Gowin und schüttelte lächelnd den Kopf. Du warst schon immer ein Masochist .
Dad seufzte. Keine Sorge, ich habe meine Lektion gründlich gelernt. Ich werde nicht riskieren, in Joans Nähe dem Blutdurst nachzugeben. Und nachdem ihre Mutter gestorben ist und mit ihr jede Spur der Dämmzauber …
Mmm , brummte Gowin mitfühlend. Ihr Tod war wirklich ein Verlust .--
Ich scheuchte Mom auf die Veranda und die Stufen hinunter.
Beim ersten Schritt auf den Rasen zögerte sie, und ich schnappte ihre Gedanken auf. Ich bin im Dunkeln allein mit einer jungen Vampirin und habe keinen Dämmzauber bei mir .
Ich erstarrte. Ihre Angst verletzte mich so tief, dass ich froh war, dass sie meine Gedanken nicht lesen und mein Gesicht nicht sehen konnte.
Nein , beschloss sie im nächsten Moment. Sie ist meine Tochter, Michael hat gesagt, dass sie sich gut im Griff hat, und ich werde den beiden vertrauen .
Sie ging weiter, stieg die Stufen zu ihrem Wohnwagen hinauf und blieb in der Tür verblüfft stehen. „Kommst du nicht, Kleines?“
Als ich lächelnd zu ihr ging, bewegte ich mich absichtlich so langsam wie ein Mensch, um sie nicht noch nervöser zu machen.
Im Wohnwagen hörte ich sofort ein leises Bellen. „Ist das … ein Hund?“
Mom lächelte mich spitzbübisch an. „Das, mein Schatz, ist die Überraschung.“ Sie lief an dem elektrischen Ofen und dem Flachbildfernseher vorbei zum Schlafzimmer und schnappte sich die pelzige braunschwarze Minirakete, die auf mich zusausen wollte. „Das ist Lucy, dein Geburtstagsgeschenk!“
Der Hund hörte gar nicht auf zu bellen. Ich bekam Angst um Moms Arme, aber vorerst wollte das Ding offenbar nur mich fressen. „Wow. Das, äh, wäre doch nicht nötig gewesen.“
Mom strahlte den Hund an und streichelte sein langes glänzendes Kopffell. Damit das Ding süß wirkte, trug es zwischen den spitzen Ohren eine rosa-braun getupfte Schleife im Fell. Der Hund kläffte so aufgeregt, dass die Schleife fast herunterrutschte.
„Sie muss sich erst an dich gewöhnen.“ Mom musste laut sprechen, um das Bellen zu übertönen. „Normalerweise ist sie zuckersüß! Dein Dad und ich haben sie zusammen gekauft, aber ich habe sie beim Züchter ausgesucht. Sie ist ein reinrassiger Yorkie.“
Eher eine reinrassige Ausgeburt der Hölle. „Das ist ja toll.“
„Willst du sie mal halten?“
Genauso gut hätte sie fragen können: Willst du dir die Finger abknabbern lassen?
„Ach, vielleicht sollte sie sich erst mal beruhigen.“
„Na gut.“ Mom setzte sich auf das Sofa. Sie drückte den Hund mit einem Arm an sich und klopfte mit der freien Hand auf den Sitz neben sich. „Komm her und erzähl mir alles. Es kommt mir vor, als hätte ich dich eine Ewigkeit nicht gesehen!“
Ich ließ den Hund nicht aus den Augen, als ich mich Mom gegenüber hinsetzte. Seine schwarzen Knopfaugen verfolgten jede Bewegung von mir.
Der Teufelshund verlegte sich vom Kläffen aufs Knurren. „Sie ist wirklich süß.“
„Du bist die Beste, oder?“ Strahlend hob Mom den Hund dicht vor ihr Gesicht. Mein Herz blieb fast stehen, als ich mir ausmalte, wie das Ding ihr die Nase abbiss. Aber es leckte ihr nur über die Wange, bevor es mich weiter anknurrte. „Sie ist so ein guter Wachhund. Und ein toller kleiner Freund. Ich werde sie vermissen, das muss ich schon zugeben. Aber wenigstens kann ich meine beiden Mädels immer besuchen kommen, stimmt’s?“
„Stimmt.“ Ich versuchte mir das haarige Ding in meinem Haus vorzustellen. Wahrscheinlich würde es den Platz unter dem Sofa zu seiner neuen Heimat erklären und jeden in die Knöchel beißen, der vorbeiging. Oder es würde wie ein Attentäter unter meinem Bettwarten, bis ich ahnungslos hereinkam.
Und natürlich konnte es mir das Gesicht abnagen, wenn ich schlief und mich nicht verteidigen konnte.
„Wer ist eigentlich auf die Idee gekommen?“, fragte ich.
„Dein Vater. Er hat mich vor ein paar Tagen angerufen und gebeten, einen kleinen Hund für dich zu besorgen. Ich sollte die Rasse und alles aussuchen.“
Dad hatte vorgeschlagen, dass sie mir einen Hund schenken sollten? Das musste heißen, dass Vampire nicht allen Hunden Angst machten.
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