Herzblut 02 - Stärker als der Tod
Küche.
„Dein Vater“, grummelte sie, als sie die Einkäufe wegräumte. „Er hat mir eine ellenlange Liste für Junkfood mitgegeben. Sieh dir das mal an! Muffins, Haferkekse, Cremeplätzchen. Wenn er so weitermacht, bekommt er einen Herzinfarkt, bevor er sechzig ist!“
„Quatsch. Dad stirbt nie. Er wird der erste Nachfahre, der ewig lebt.“ Grinsend reichte ich ihr noch mehr Schachteln an, damit sie sie einräumen konnte. „Aber wenn du dir Sorgen machst, kannst du ihn ja wieder auf Diät setzen.“
„Ha! Als würde das funktionieren. Du weißt doch, wie dickköpfig er ist. Er würde nur Essen ins Haus schmuggeln und in seinem Schreibtisch im Arbeitszimmer verstecken. Er glaubt ja tatsächlich, das würde ich nicht merken!“ Sie warf einen Blick auf ihre Uhr und runzelte die Stirn. „Es ist schon spät. Ich fange lieber mit demAbendessen an. Frag mal deinen Vater, was er zu den Koteletts haben möchte.“
„Okay.“ Ich ging zu Dads Arbeitszimmer und klopfte an die geschlossene Tür. Keine Antwort. Sicherheitshalber öffnete ich die Tür und sah nach. Kein Licht, und als ich das Licht eingeschaltet hatte, auch kein Dad.
Ich ging durch den Flur ins Wohnzimmer. Alles war still, der Fernseher war ausgeschaltet, das Licht brannte nicht. Ich schaltete eine Lampe ein, um zu sehen, ob Dad vielleicht auf dem Sofa eingeschlafen war. Am Wochenende passierte ihm das manchmal.
Dad war nirgends zu sehen.
Vielleicht war er nach oben gegangen, um sich umzuziehen. Ich lief die Treppe hinauf, klopfte an die Schlafzimmertür und sah im Zimmer nach. Auch hier war Dad nicht.
Ich ging nach unten in die Küche. „Ich kann ihn nicht finden. War er noch draußen, als du nach Hause gekommen bist?“
„Nein. Wir haben nicht mal zehn Grad. Warum sollte er draußen sein?“
Ich zuckte mit den Schultern. „Vorhin habe ich ihn mit Emily und irgendeinem Typen gesehen. Ich dachte, es wäre vielleicht ein Geschäftspartner von Dad. Emily kannte ihn anscheinend.“
„Vor ein paar Minuten war jedenfalls niemand draußen. Nur sein Auto.“
Ich öffnete die Tür zur Garage und sah durch die Fenster hinaus. Im Licht der Garage war Dads Auto immer noch zu erkennen. „Sein Auto steht noch da. Ob er mit diesem Typen weggegangen ist?“
„Ohne mir Bescheid zu sagen, dass er nicht pünktlich zum Abendessen kommt? Das würde er nicht machen.“ Seufzend nahm Mom das schnurlose Telefon von der Wand und wählte. Nach einem Moment verfinsterte sich ihre Miene. „Samuel Coleman, ich hoffe für dich, dass dein Handy tot ist. Denn wenn du mich nicht anrufst oder sofort nach Hause kommst, bist du tot! Wo bist du?“ Sie drückte das Gespräch weg, überlegte kurz und schnipste mit den Fingern. Es klang, als hätte sie einen Ast zerbrochen. „Hol eine Taschenlampe und deine Jacke und sieh mal auf der Lichtung nach.Er ist bestimmt da draußen.“
Ich warf einen Blick auf die Uhr. „Bisschen spät zum Zaubern, oder?“ Ich zog meine Jacke und ein Paar Stiefel von Dad an, die er in der Garage gelassen hatte.
„Ach, du kennst doch deinen Vater. Er übt da draußen gerne seine Reden für die Vorstandssitzungen. Angeblich hilft ihm der Kiefernduft beim Denken. Vielleicht hat er die Zeit vergessen.“
Und auf der Lichtung hatte man keinen Handyempfang. „Ist gut. Bin gleich wieder da.“
„Beeil dich. Und denk an die Taschenlampe. Warte! Du brauchst einen Vampirtalisman.“
Seufzend nahm sie ihren ab.
„Mom, mir passiert schon nichts.“ Bis auf den Garten hinter dem Haus, den man in zehn Sekunden durchquert hatte, war das ganze Grundstück vor Vampiren geschützt.
„Leg ihn an. Dein Vater ist da draußen mit den ganzen Schutzzaubern auf der Lichtung in Sicherheit, aber du wärst unterwegs ungeschützt. Ich weiß: Du glaubst, du wärst genauso stark wie dein Vater. Aber du lernst noch. Also nimm den Talisman, diskutier nicht und geh bitte deinen Vater suchen.“ Das Ende kam in einem atemlosen Rutsch und klang ziemlich schroff.
Ich nahm das blöde Armband und legte es mir an. Dann ging ich durch die Garage nach draußen und lief durch den Garten. Am Waldrand wurde ich langsamer und schaltete die Taschenlampe ein. Meistens sickerte genug Mondlicht durch die Äste der Kiefern, dass man den Weg erkennen konnte. Aber heute Nacht war der Mond nicht zu sehen.
Deshalb wäre ich fast auf seine Hand getreten.
31. KAPITEL
E r lag quer auf dem Weg, direkt am Rand der Lichtung. Ich hätte mir noch vorstellen können, dass er auf einem
Weitere Kostenlose Bücher