Herzblut 02 - Stärker als der Tod
Sprite und Cracker.“
„Von Saltines, steht da“, erklärte Emily.
„Okay. Cracker von Saltines. Verstanden. Ich glaube, ich rufe unterwegs euren Vater an und frage, ob er auch etwas braucht.“
„Danke, Mom.“
Meine Zimmertür ging auf, und Mom streckte den Kopf herein. „Ich fahre einkaufen. Willst du mitkommen?“
„Klar.“ Was hatte ich sonst schon zu tun? Jedenfalls wartete keine heiße Verabredung auf mich. Oder sonst irgendwas, nachdem die Footballsaison vorbei war. Man konnte ja nicht ewig Sport machen oder Musik hören.
Ich zog meine Stiefel an, verabschiedete mich kurz von Emily und lief nach unten durch die Küche und in die Garage.
Aber als ich die Beifahrertür von Moms Auto öffnete, ging mir auf, dass ich auf keinen Fall am Freitagabend mit meiner Mutter in einen Supermarkt gehen konnte. Man konnte sich für eine Weile nicht verabreden, klar. Aber das hier wäre gesellschaftlicher Selbstmord gewesen.
„Ach, ich glaube, ich bleibe doch lieber hier“, sagte ich durch die offene Tür zu Mom. „Du weißt schon, falls Emily was braucht. So krank sollte sie nicht allein bleiben.“
Mom runzelte kurz die Stirn, dann zuckten ihre Mundwinkel. „Ach ja, genau. Freitagabend. Nein, da soll dich natürlich niemand mit deiner Mutter beim Einkaufen sehen.“
Ich lächelte verlegen und schlug die Tür zu, damit sie losfahren konnte. Was könnte man heute Abend unternehmen? Ich überlegte.
Mein Auto. Das konnte wirklich etwas Zuwendung vertragen. Normalerweise machte ich es alle paar Wochen sauber, aber in letzter Zeit war ich nicht dazu gekommen. Das konnte ich doch jetzt machen.
Als ich vornübergebeugt das staubige Armaturenbrett abwischte, fiel mir eine Bewegung vor der Garage auf. Da war Emily. Anscheinend ging es ihr gut genug, um ein bisschen frische Luft zu schnappen, das hatte sie vorhin ja schon überlegt.
Sie trug Socken, Hausschuhe, ihren langen Wollmantel und einen Schal. Als ich sah, dass sie warm genug angezogen war, wollte ich mich gerade abwenden.
Aber da kam ein Typ zu Fuß um das Haus herum. Er trug eine Stoffhose, Halbschuhe, einen langen Wollmantel und einen Schal mit Schottenmuster und sah aus, als wäre er in Emilys Alter. Irgendwoher kannte ich ihn, aber er war nicht auf unsere Schule gegangen. Einer von Emilys Freunden, der ein College in Jacksonville besuchte? Es gab hier zwei Colleges für die ersten beiden Studienjahre und eine theologische Hochschule. Vielleicht studierte er hier oder zusammen mit Emily in Tyler.
Auf jeden Fall schien Emily ihn zu kennen. Sie umarmte ihn, bevor die beiden sich unterhielten. Sie hatte die Hände in den Manteltaschen vergraben und lächelte manchmal. Bei einem Fremden hätte sie nicht so entspannt gewirkt.
Dad kam in seinem Auto nach Hause und parkte neben der Garage, wahrscheinlich, damit Mom den letzten freien Platz nehmen und ihre Einkäufe direkt ausladen konnte. Ich dachte, er würde ins Haus gehen, aber er unterhielt sich mit Emily und dem Fremden. Nach ein paar Minuten schlenderten alle nach hinten in den Garten.
Hm. Vielleicht war der Typ ja ein Geschäftspartner von Dad.
Zum Glück hatte mich niemand in meinem Auto entdeckt. Soblieb es mir erspart, rauszugehen und Small Talk zu machen. Ich konnte einfach unauffällig in mein Zimmer verschwinden.
Mein Plan ging auf. Zwei Stunden lang hing ich friedlich vor dem Fernseher ab, erst dann kam Emily endlich nach oben. Zwei Minuten später ruinierte sie mit ihrem Schnarchen die friedliche Stille im ersten Stock. Anscheinend hatte die frische Luft sie vollkommen erschöpft. Irgendwann musste ich mal ihr Schnarchen aufnehmen. Damit könnte ich sie wunderbar erpressen. Grinsend stellte ich den Fernseher lauter, um das Sägewerk gegenüber zu übertönen.
Eine halbe Stunde später kam Mom nach Hause. Weil mir langweilig war, ging ich nach unten. Ich wollte sehen, ob sie noch etwas anderes als Medikamente und die Sachen für Emily geholt hatte. Manchmal hatte ich Glück und Dad hatte sie gebeten, Junkfood mitzubringen. Er war der Einzige, für den sie solches Zeug kaufte, aber wenigstens hatte er Mitleid mit seinen Kindern und teilte mit uns.
„Oh, gut“, sagte Mom mit Plastiktüten in beiden Händen. „Du kannst mir beim Auspacken helfen.“
„Wolltest du nicht nur Sprite und Cracker holen?“
„In diesem Haushalt? Unmöglich!“
Ich holte die letzten sechs Tüten aus dem Kofferraum, schlug den Deckel mit einem Ellbogen zu und schleppte den Einkauf in die
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