Herzblut 02 - Stärker als der Tod
der nächste Clann-Führer wird. Die … Freundschaft besteht schon.“
„Deine … Pausen zeigen doch schon, dass es keine gute Idee ist.“ Aha! Da lag es ja, unter dem Sofatisch, bedeckt von ein paar Zeitungsseiten. Ich schnappte mir das Taschenbuch und begann die Stelle zu suchen, an der ich gestern Abend aufgehört hatte.
„Vielleicht sogar eine sehr gute. Er hört auf dich, schätzt deine Meinung.“
„Ich nutze meine Vergangenheit mit Tristan nicht aus, um die Ziele des Rates durchzudrücken.“
„Du siehst das von der falschen Warte aus. Ich gebe nur zu bedenken, dass Tristan keinen fremden und wie du sagen würdest uralten‘ Vampir kennenlernen muss, wenn er eine Vampirin in seinem Alter kennt. Eine Vampirin, der er vertraut und mit der er vernünftig diskutieren kann. Und die außerdem zufällig die Tochter eines früheren Ratsmitglieds ist, das …“
„Das eindeutig wieder in den Rat will“, grummelte ich.
„… das immer noch regelmäßig mit dem Rat in Verbindung steht und Tristans Bedenken oder Bitten einfach weitergeben könnte“, beendet er den Satz mit wütendem Blick.
Es war so ätzend, dass er recht hatte. Aber er hatte recht. Trotzdem hatte ich das Gefühl, diese Lösung würde nur Ärger geben. Bis mir das perfekte Gegenargument einfiel.
„Der Rat würde sich niemals darauf einlassen. Weißt du nicht mehr? Ich musste versprechen, mich von Tristan fernzuhalten.“
Er zog eine dichte schwarze Augenbraue hoch. „Wenn es ihmhilft, kann der Rat durchaus seine Meinung ändern.“
Trotzdem. Der Rat würde mich nie als Botschafterin aussuchen. Nicht solange Tristan meine Verbindung zum Clann war und die Gefahr bestand, dass meine Gefühle für ihn über meinen Verstand siegten, ich die Kontrolle verlor und ihn tötete. Dad wollte nur mit Würde verlieren. Ich blätterte weiter in dem Taschenbuch, bis ich die richtige Stelle gefunden hatte.
„Außerdem gehst du diese Woche nicht in die Schule“, befahl er. Er tigerte vom Wohnzimmer in die Küche, die Diele, ins Wohnzimmer und zurück. Wo ist dieses verdammte Handy? Und warum müssen die Hersteller sie immer kleiner machen?
Er hatte es mal wieder geschafft, sein Handy irgendwo im Haus zu verlieren. Waren das jetzt siebzehnmal? Oder zwanzig?
„Na gut, soll ich es anrufen?“
„Was anrufen?“
„Dein Handy. Du suchst doch danach, oder?“
Er richtete sich auf, streckte die Brust raus und sah mich finster an. „Hör bitte auf, meine Gedanken zu lesen. Das ist unhöflich. Und ich bin ein Vampir. Ich verliere keine Sachen.“
„Ich kann nichts gegen das Gedankenlesen machen, genauso wenig, wie du verhindern kannst, dass du mich in meinem Zimmer telefonieren hörst. Ich habe keinen Schalter, um es auszustellen. Und sogar Vampire können winzige Handys verlieren, die ihnen aus der Hosentasche fallen, wenn sie sich mit ihrer Zeitung hinsetzen.“ Auf gut Glück kramte ich links von mir zwischen den Kissen und der Rückenlehne des Sofas. Im nächsten Moment hielt ich sein Handy hoch.
„Hm.“ Er nahm es, klappte es auf und stutzte. „Um noch einmal darauf zurückzukommen, dass du diese Woche nicht in die Schule gehst …“
„Rufst du die Schule an, oder soll ich das machen?“
Er musterte mich aus schmalen Augen. „Willst du gar nicht darüber diskutieren?“
„Nein. Wieso sollte ich diese Woche auch nur in die Nähe der Schule kommen? Hast du eine Ahnung, wie übel die Nachfahren drauf sein werden, nachdem ihr Anführer ermordet wurde? Es istsowieso schon anstrengend genug, sich ständig mit ihnen herumzuschlagen.“
Und Tristan würde diese Woche auch nicht in der Schule sein. Er würde alles für die Beerdigung seines Vaters vorbereiten. Und für mich als Freund noch unerreichbarer werden.
Mich durchzuckte die Erinnerung daran, wie er letzte Nacht zusammengebrochen war. So hatte ich ihn noch nie gesehen. Erst hatte ich gar nicht gemerkt, dass er in meinen Armen weinte. Er war so still gewesen. Erst als er sich von mir gelöst hatte und ich spürte, dass meine Schulter feucht war, war mir klar geworden, dass es von seinen Tränen war.
Er war immer so … stark gewesen. So zuversichtlich und selbstsicher und jedem Problem gewachsen.
Wenn ich daran dachte, wie sehr er mir vertrauen musste, um sich in meiner Gegenwart so fallen zu lassen, kamen mir fast die Tränen.
„Ich freue mich, dass du meiner Meinung bist“, sagte Dad. Er kam zu mir und drehte stirnrunzelnd das Buch in meiner Hand herum, damit er den Titel
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