Herzblut 02 - Stärker als der Tod
Außerdem wusste Anne als Einzige von den dreien, dass ich mit Tristan zusammen gewesen war. Bei Carrie hätte sich das Risiko, es ihr zu erzählen, nicht gelohnt, weil ihr Beziehungsgeschichten sowieso egal waren. Und Michelle hätte zwar nie absichtlich ein Geheimnis verraten, aber bei ihrem Hang zum Tratsch war mir die Gefahr zu groß, dass ihr etwas herausrutschte und schließlich beim Clann landete.
Sie hätten es natürlich anders gesehen, aber je weniger meine Freundinnen über die Vampire und den Clann wussten, desto sicherer war es für sie.
Und so verging die Woche ruhig und viel zu schnell. Mom und ich packten unsere Sachen ein und boten das Haus zum Verkauf an. Von dem Geld wollte Mom meinen Collegebesuch bezahlen und sich ein Wohnmobil kaufen, damit sie auf ihren Vertreterrunden ein größeres Gebiet abdecken konnte. Wir dachten, der Verkauf würde sich wegen der Wirtschaftskrise ein paar Monate hinziehen. Aber zur Überraschung von Mom, mir und sogar der Maklerin fand sich schon nach wenigen Tagen ein Käufer. Offenbarhatten an dem Tag, an dem die Maklerin es ins Netz gestellt hatte, gleich zwei Firmen das Haus entdeckt und sich gegenseitig überboten, bis sie den geforderten Preis weit übertrafen. Der Gewinner hatte dazu noch komplett in bar bezahlt und auf die übliche Hausbesichtigung verzichtet. So dauerte der Verkauf statt einem Monat nur ein paar Tage. Die einzige Bedingung war, dass wir so schnell wie möglich ausziehen sollten, weil der Käufer das Haus sofort zur Miete anbieten wollte.
Schon bald würde also ein Fremder in dem Haus wohnen, in dem wir unsere Kindheit verbracht hatten.
Ein paar Tage später fuhren wir in Moms Wagen nach Tyler, um uns Wohnmobile anzusehen. Dad war dagegen, dass ich mitfuhr. Mom widersprach ihm: Wenn man mir zutraute, zusammen mit Clann-Mitgliedern die Schule zu besuchen, müsste es ja wohl auch möglich sein, dass ich mit meiner Mutter einkaufen fuhr. Allerdings würde ich da mit den anderen Nachfahren nicht im winzigen Fahrerhaus eines Pick-ups sitzen, sondern in einem großen Klassenzimmer, meinte Dad. Mom winkte ab: Das sei lächerlich. Damit war die Diskussion beendet.
Trotzdem nahm sie zur Sicherheit eines der Amulette mit, die Nanna zuletzt mit einem Dämmzauber belegt hatte. Außerdem öffnete ich mein Fenster. Nur für den Fall.
Auf halber Strecke nach Tyler gab ich schließlich der Neugier nach, die mich schon seit Tagen plagte.
„Mom, bist du auch mal zum Zirkel gegangen, als du noch im Clann gewesen bist?“
Sie verzog das Gesicht, als hätte sie ein Stinktier gerochen. „Da habe ich meine halbe Kindheit verbracht, leider. Im Zirkel finden nicht nur die großen Clann-Treffen statt. Dort können die Ältesten auch gefahrlos die anderen Nachfahren unterrichten, vor allem die Kinder, die ihre Fähigkeiten nicht gut unter Kontrolle haben. Es gibt eine ganze Reihe von Schutzvorrichtungen, die V…“ Sie warf mir einen Blick zu. „Die Außenseiter fernhalten und dafür sorgen, dass niemand aus Versehen die Bäume abfackelt oder etwas außerhalb der Lichtung in die Luft jagt. Und glaub mir, ich habe diesen Schutz stärker strapaziert als alle anderen Nachfahren zusammen.“
„Und wie sind Dad und ich an den Schutzzaubern vorbeigekommen?“
„Du kannst den Zirkel immer betreten, weil Clann-Blut in dir fließt. Und wenn du schon auf der Lichtung warst und auch nur daran gedacht hast, dass du dir wünschst, dein Vater dürfe nachkommen, konnte ihn der Schutzzauber auch nicht aufhalten. Er wurde extra so eingerichtet, dass man bei Gefahr seine Verbündeten in den Zirkel lassen kann.“
„Also musste ich nur denken ‚Lass Dad rein‘, und der Zauber hat gehorcht? Braucht man nicht noch irgendein Zauberwort oder so was?“
„Nein, normalerweise nicht. Die Clann-Magie funktioniert nicht mit schicken Formeln oder magischen Kerzen und Kräutern, sondern über Willen und Entschlossenheit.“ Sie prustete laut wie ein Pferd, um mir ein Lächeln zu entlocken. „In deinem Alter hätte ich alles dafür gegeben, wenn man für unsere Zauber Krötenaugen und Spinnenbeine gebraucht hätte. Dann hätte ich nicht so große Probleme gehabt, meine Fähigkeiten unter Kontrolle zu halten.“
„Warum zauberst du dir deine Fähigkeiten nicht einfach weg?“ Diese Lösung war so offensichtlich, dass sie einen Haken haben musste, das war mir klar.
Mom lachte laut. „Ach Schatz, glaubst du, darauf wäre ich nicht auch schon gekommen? Das habe ich als Mädchen
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