Herzblut 02 - Stärker als der Tod
Mädchen. Blonden, brünetten und rothaarigen Mädchen, für die ich alle das Gleiche empfunden hatte – oberflächliche Freundschaft, mehr nicht. Man konnte nett Zeit mit ihnen verbringen, aber bei keiner hatte ich überlegt, was sie wohl dachte oder tat, wenn wir nicht zusammen waren. Ich hatte keinen Gedanken daran verschwendet, ob sie sich mit ihren Eltern gut verstanden. Mir war auch egal, ob andere sahen, wie wunderbar meine Freundinnen waren. Es fehlte mir nicht, wenn ich nicht mit ihnen reden konnte, und ich war auch nicht am Boden zerstört, wenn es vorbei war.
Ich hatte noch nie jemanden so sehr gebraucht wie Savannah.
Mein Verstand funktionierte nur träge. Trotzdem hörte ich den Abschied in ihrer Stimme und ihren Worten und sah die Tränen in ihren Augen. Sie verließ mich.
Ich musste sie aufhalten.
Sie wandte sich ab und wischte sich mit einem Ärmel die Wangen ab, während sie das Büro verließ und auf die Treppe hinter der Bühne zulief.
Mühsam kämpfte ich mich hoch. Meine Beine wollten mir nicht gehorchen, aber ich zwang sie dazu. In der Mitte des Flurs holte ich sie ein. „Verwandle mich.“
Sie blieb so abrupt stehen, dass ich mich an der Wand abstützenmusste, um sie nicht umzuwerfen. Über die Schulter hinweg sah sie mich an, die Augen blass silbern und vor Schreck weit aufgerissen. Dann ging sie weiter. „Das kann ich nicht.“
„Überleg doch mal, Sav. Wenn ich ein Vampir wäre, hätten wir keine Probleme, oder? Du könntest mich nicht aussaugen, und die Vampire und der Clann müssten keine Angst mehr um ihren Friedensvertrag haben.“ Außerdem hätten meine Eltern keinen Grund mehr, mich von ihr fernzuhalten.
„Ich bin nicht umsonst die erste Dhampirin, von der man weiß, Tristan. Nachfahren vertragen Vampirblut nicht. Jeder Nachfahre, der sich verwandeln wollte, ist gestorben.“
„Das behaupten sie. Wann hat es denn das letzte Mal jemand versucht? Ich würde es riskieren. Es gibt bestimmt einen Zauber, der helfen kann, oder …“
„Auf keinen Fall. Ich setze doch nicht dein Leben aufs Spiel.“ Es dröhnte, als sie die Musikanlage in den stockdunklen Kulissen absetzte. Und es klirrte metallisch, als sie den Sicherungskasten an der Wand öffnete. Wahrscheinlich konnte sie mit ihren Vampirkräften im Dunkeln sehen. Das Bühnenlicht ging an.
„Ich könnte mir einen anderen Vampir suchen, der mir hilft.“
„Nein, könntest du nicht. Jeder kennt dich. Kein Vampir würde sich so dem Rat widersetzen.“ Sie knallte die Tür des Sicherungskastens so laut zu, dass das Geräusch durch die leeren Kulissen hallte. Dann trug sie die Anlage an eine Seite des Bühnenrands, hockte sich dort in den Schatten und schloss den CD-Player an.
Ich ging neben ihr in die Hocke, wie immer, wenn sie die Anlage aufbaute. Unsere Knie berührten sich, beim Arbeiten streifte sie mich mit ihrem Arm. Als im letzten Herbst alles angefangen hatte, hatte ich das gemacht, um ihr meine Gefühle zu beweisen. Damals hatte sie noch nicht gewusst, dass schon ein Kuss von ihr gefährlich sein konnte. Und ich wollte einfach nur, dass sie zugab, dass sie in mich verliebt war.
Jetzt wussten wir, was wir fühlten, und es reichte immer noch nicht. Nicht, solange meine Eltern, der Clann und der Vampirrat uns trennen wollten.
„Und wenn ich alle dazu bringe, ihre Meinung über uns zu ändern?“Ich hatte keine Ahnung, wie ich das schaffen sollte, aber irgendwie musste es gehen.
Sie sah mich an, und in ihren tränennassen Augen blitzte Hoffnung auf, die mich umfasste und festhielt, dass es schmerzte. „Wie?“
Darauf wusste ich noch keine Antwort. Aber ich würde es schaffen, egal, was es kostete. „Ich finde einen Weg.“
„Mr Coleman, wieso sind Sie hier?“, rief Mrs Daniels, als sie die Aula durch den Zuschauereingang betrat. „Sie sollten uns doch gar nicht mehr helfen.“
Na klasse. Das hatte mir gerade noch gefehlt. „Das haben Sie falsch verstanden …“
„Das glaube ich nicht. Ich habe letzte Woche mit Ihren Eltern gesprochen. Sie haben sich sehr deutlich ausgedrückt.“ Mrs Daniels setzte sich auf ihren Stammplatz in der letzten Reihe.
Nachdem Savannah sich schnell über das Gesicht gewischt hatte, kümmerte sie sich wieder um die Musikanlage. Offenbar war von ihr keine Hilfe zu erwarten.
Ich sprang von der Bühne und ging zu Mrs Daniels’ Sitzreihe. Ihr Blick war genauso kühl wie der von Savannah, wenn sie jemanden auf Abstand halten wollte.
„Ich würde immer noch gerne mitmachen,
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