Herzblut 02 - Stärker als der Tod
bei seiner Tochter schaffte.
Ich hielt auf der Straße vor dem Haus, stellte den Wagen aus und blieb noch sitzen. Der Motor tickte vor sich hin, während er abkühlte.
Tat ich das Richtige? Oder sollte ich auf die anderen hören und Savannah gehen lassen?
Als ich die Augen schloss, sah ich, wie immer, Savannahs Gesicht vor mir. Ich hatte tausend Erinnerungen an sie. Daran, wie sie mir auf dem Spielplatz als kleines Mädchen mit Blumen im Haar einen hauchzarten Kuss gegeben hatte. Wie sie dieses Jahr beim Maskenball draußen mit mir getanzt hatte, als barfüßiger, atemberaubender Engel. Sie hatte Angst davor, dass sie die Beherrschung verlieren und mich töten könnte. Aber ich kannte sie nur unschuldig und liebevoll. Alle wollten mich davon überzeugen, dass sie eine Art Ungeheuer war. Aber so konnte ich sie einfach nicht sehen.
Ich würde sie nicht aufgeben. Noch nicht. Nicht, solange es noch eine Möglichkeit gab, alles in Ordnung zu bringen.
Ich stieg aus und ging auf das Haus zu. Dabei hatte ich immer noch keinen Schimmer, was ich ihrem Vater sagen sollte. Die Veranda knarrte unter meinen Füßen. Mit hämmerndem Herz blieb ich stehen. Machte mich das unheimliche Haus nervös oder die Aussicht, mit ihrem Vater zu reden?
Beides, beschloss ich, aber ich ging weiter. Irgendwo im Haus heulte eine Säge auf. Wie erstarrt blieb ich vor der Tür stehen. Eine Kettensäge? Mein Gott, das war ja wie einem Horrorfilm, derWirklichkeit wurde. Trotzdem klopfte ich. Ein Vampir würde mich trotz der Säge hören können.
Der Lärm verstummte. Kurz danach wurde die Tür geöffnet.
Bisher hatte ich Savannahs Vater nur ein Mal gesehen, auf dem Heimweg vom Hauptsitz des Vampirrates in Paris. Mit seinem tadellosen Anzug und dem reglosen Gesicht einer Marmorstatue hatte Mr Colbert wie der Inbegriff eines Vampirs gewirkt.
Heute Abend trug er ein Hemd mit hochgekrempelten Ärmeln und Jeans, beide dreckig und voller Sägemehl. Er sah aus wie ein ganz normaler Mann, der in seinem Haus schwer arbeitete.
Und ich wollte ihn bitten, mich in einen Vampir zu verwandeln.
Mr Colbert sah nicht so aus, als ob er überrascht wäre, mich zu sehen. Aber er bat mich auch nicht herein. „Guten Abend, Tristan. Was kann ich für dich tun? Savannah ist nicht zu Hause.“
„Ich weiß, Sir. Deshalb bin ich hier. Ich brauche Ihre Hilfe.“
Reglos starrte er mich an. Ich hatte gehofft, wir könnten im Haus reden, aber da wäre es nicht einfacher gewesen.
Ich räusperte mich. „Ich liebe Savannah. Und dabei geht es nicht um die hormonelle Verirrung eines Teenagers. Ich habe sie schon geliebt, als wir noch Kinder waren. Noch nie habe ich so etwas für ein Mädchen empfunden, nicht mal ansatzweise. Und sie liebt mich auch, das weiß ich.“
Mein Herz hämmerte noch stärker. Die Tatsache, dass Mr Colbert es wahrscheinlich hören konnte, machte es nicht gerade besser. Meine Hände wurden heiß und feucht. Ich steckte sie in die Hosentaschen.
„Du weißt, was sie versprochen hat.“ Das war keine Frage.
Trotzdem nickte ich. „Der Rat und der Clann haben Angst, sie könnte mich töten und den Vertrag brechen. Savannah hat auch Angst davor. Aber ich glaube, es gibt noch eine andere Lösung.“
Fragend zog er eine schwarze Augenbraue hoch. Es brachte mich ziemlich aus dem Konzept, wie still er dastand.
Würde ich so reglos sein können, wenn ich heute Erfolg hatte?
„Sie könnten mich zu einem Vampir machen.“
Sekunden verstrichen. Eine frische Brise kam auf und fuhr durch die Bäume hinter mir. Aber sie war nicht stark genug, um denSchweiß zu trocknen, der mir über den Rücken lief.
Schließlich wich Mr Colbert von der Tür zurück. „Komm herein.“
Hieß das, er würde es tun?
Als ich das Haus betrat, knarrten und ächzten die Holzdielen bei jedem Schritt. Er schloss die Tür hinter mir, dann brachte er mich nach rechts in ein Zimmer zu einem dunkelbraunen Ledersofa. Der Boden war rutschig vom Sägemehl, es roch nach Kiefernholz, und überall lag Werkzeug herum.
Er deutete auf das Sofa, und wir setzten uns seitlich auf die Enden, damit wir uns ansehen konnten.
Sobald ich saß, fragte er: „Bist du bereit, deine Menschlichkeit für meine Tochter aufzugeben?“
Ich antwortete, ohne zu zögern. Wenigstens darin war ich mir sicher. „Ja, Sir.“
Er musterte mich. „Du wirkst überzeugt davon. Aber vielleicht nur, weil du nicht weißt, was es wirklich bedeutet, ein Vampir zu sein. Soll ich es dir sagen?“
Ich nickte, obwohl
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