Herzblut 02 - Stärker als der Tod
Mrs Daniels“, versuchte ich es mit meinem charmantesten Lächeln. Bei den Lehrerinnen und den Damen aus dem Sekretariat funktionierte das immer.
Sie zog eine blonde Augenbraue hoch. „Ohne die Einwilligung der Eltern kann niemand beim Team mitmachen, nicht mal freiwillig als Bühnenarbeiter. Das schreibt die Schule vor. Wenn Sie uns weiter helfen wollen, müssen Sie das mit Ihren Eltern klären. Bis dahin gehen Sie bitte ins Sekretariat. Sie sind von jetzt an für die erste Unterrichtsstunde als Bürohilfe eingeteilt.“ Sie schlug ein Blatt auf ihrem Klemmbrett um, und ohne ein weiteres Wort entließ sie mich.
Toll. Wie sollte ich jetzt mit Savannah reden oder überhaupt mit ihr zusammen sein, ohne dass der Clann es mitbekam? Unser einziges gemeinsames Fach war Geschichte, jeden zweiten Tag bei Mr Smythe, zusammen mit Dylan Williams und den Zickenzwillingen– vier Nachfahren, die uns mit Adleraugen überwachen würden.
Ich sah mich nach Savannah um. Sie zog die Schultern hoch, ohne aufzublicken.
Na schön. Savannah hatte sich klar ausgedrückt. Bis ich die Regeln irgendwie geändert hatte, wollte sie sich nicht mehr mit mir treffen. Also hatte es gar keinen Sinn, mit Mrs Daniels zu diskutieren.
Aber wenn Savannah dachte, ich hätte unsere Beziehung aufgegeben, täuschte sie sich. Ich würde wirklich eine Möglichkeit finden, die Regeln zu ändern. Irgendwie.
Savannah
Als ich an meinem ersten Tag in der Schule an unseren angestammten Tisch kam, verstummten meine Freundinnen. Ich hatte keinen Hunger, aber weil ich nicht gefrühstückt hatte, hatte ich mir eine Tüte Chips und eine Cola geholt. Und ich versuchte den Schmerz zu ignorieren, den ich immer in Tristans Nähe spürte. Normalerweise setzte sich Tristan in der Mittagspause draußen unter einen Baum. Heute saß er bei seiner Schwester am Clann-Tisch und starrte mich an.
Als ich die Chipstüte aufriss, hallte das Geräusch wie ein Gewehrschuss durch die Stille. Aber ich hatte zu fest gezogen. Die Tüte riss halb auf, und es verstreuten sich Chips mit Cheddargeschmack auf meinem Schoß und auf dem Tisch.
Ich seufzte. „Wie gut, dass ich sowieso keinen Hunger hatte.“
„Sav …“, setzte Anne an. Ihr zaghaftes Mitgefühl ließ mich zusammenzucken. Ich wusste, was gleich kommen würde. Die meisten Charmers und Mrs Daniels hatten mir heute Morgen im gleichen Tonfall ihr Beileid ausgesprochen.
Als ich aufsah, starrten mich meine Freundinnen angespannt und mitleidig an. Ich hob eine Hand. „Ich weiß, ihr macht euch Sorgen um mich. Und ich weiß das echt zu schätzen. Aber es geht mir gut. Ehrlich.“
Sie nickten zu schnell und zu heftig.
Um das Thema zu wechseln, setzte ich ein Lächeln auf und fragte Michelle: „Was gibt es für neuen Klatsch? Habe ich letzte Woche was Spannendes verpasst?“
Michelle setzte zu einer Antwort an, biss sich aber erst auf die Unterlippe. „Na ja, der spannendste Klatsch ging um Tristan und … dich.“
Oh nein, davon würden wir gar nicht erst anfangen. „Okay, dann erzähle ich was Neues. Ich bin letzte Woche zu meinem Va ter gezogen.“
„Was soll das denn?“, meinte Anne. „Aber wie … Ich meine, wohnt er nicht weit weg? Musst du die Schule wechseln?“
„Nein“, beruhigte ich sie. „Er hat dieses alte viktorianische Haus neben den Bahngleisen gekauft. Ihr wisst schon, gegenüber von der Tomato Bowl. Das will er als Vorzeigeprojekt für seine Firma renovieren.“
Alle drei rissen die Augen auf.
„Ach Sav, das ist ja schrecklich“, flüsterte Michelle, als hätte ich gerade erzählt, dass ich an einer unheilbaren Krankheit litt. „In dem Haus spukt es, das weiß doch jeder.“
„Und es ist nicht sicher“, pflichtete Carrie ihr bei. „In dem Haus hat seit Jahrzehnten niemand mehr gewohnt. Bestimmt ist es noch in einem schrecklichen Zustand. Wahrscheinlich voll mit Bleirohren und Asbest.“
„Na ja, es muss schon eine Menge gemacht werden“, gab ich zu. „Aber das ist ja genau Dads Fachgebiet. Seine Firma hat sich darauf spezialisiert, historische Gebäude zu renovieren und ihnen zu ihrem alten Glanz zu verhelfen. Wahrscheinlich hat er das Haus im Handumdrehen fertig.“ Hoffentlich.
„Hast du schon Geister gesehen?“, fragte Anne. Dann trank sie einen großen Schluck Limo.
„Nein.“ Ich lachte. „Aber es ist wirklich ein bisschen gruselig. Dad meint, es wäre nachts so laut, weil sich das Holz und die Rohre weiten oder zusammenziehen oder so was, weil sich die Temperatur
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