Herzblut 02 - Stärker als der Tod
nicht. Wenn man ihrem Vater glaubte, weder jetzt noch später. Nicht, solange der Clann und der Rat sich hassten und fürchteten.
Wie betäubt ging ich die Verandastufen hinunter, stieg in mein Auto und fuhr zurück in das Gefängnis, zu dem mein Zuhause geworden war.
6. KAPITEL
Savannah
T ristan hatte aufgegeben.
Bis jetzt war mir gar nicht klar gewesen, wie sehr ich mich insgeheim auf ihn verlassen hatte. Im Grunde seines Herzens war Tristan ein Kämpfer, und er bekam immer, was er wollte. Er wollte mit mir zusammen sein, und wenn das irgendwie möglich war, würde er eine Lösung finden.
Nur dieses Mal hatte es anscheinend nicht geklappt.
Er musste mir gar nicht sagen, dass es wirklich vorbei war. Wenn wir uns in der Pause im Flur über den Weg liefen, spürte ich, wie enttäuscht und verzweifelt er war. Sein trostloser Blick, seine hängenden Schultern – es war offensichtlich. Und vor allem konnte er mir nicht mehr in die Augen sehen.
Es war vorbei.
Ich versuchte mir einzureden, dass das kein Weltuntergang sei. Irgendwann würde der Herzschmerz nachlassen, und ich würde jemand anderen kennenlernen.
Als ich es aufgegeben hatte, mich selbst zu belügen, stürzte ich mich auf die Schule und die Charmers. Vielleicht würde ich ja nach einer Weile wieder frei durchatmen können, ohne dass ich weinen musste, wenn ich genug um die Ohren hatte, hoffte ich.
In den nächsten Wochen verlor ich jedes Zeitgefühl. Ich wartete einfach nur auf das Ende des Schuljahres. Zu Hause half ich in jeder freien Sekunde Dad dabei, die alten Tapeten abzukratzen und neuen Fußboden zu verlegen. Nachdem wir die Frühjahrsshow der Charmers und das Vortanzen hinter uns hatten, hatte ich leider trotzdem noch zu viel freie Zeit. Nur beim Vortanzen war ich einmal vier wunderbare Stunden lang durchgehend beschäftigt gewesen, denn ich hatte die ganze Betreuungsarbeit allein zu stemmen. Die beiden anderen Betreuerinnen hatten noch einmal vorgetanzt und es dieses Mal in die Gruppe geschafft. Ich versuchte mich für sie zu freuen. Immerhin war ich dadurch die einzige Kandidatinfür den Posten als Chefbetreuerin fürs nächste Jahr. Vor allem versuchte ich, nicht traurig zu sein, dass der Vampirrat mir verboten hatte, je wieder öffentlich zu tanzen. Er hatte Angst, ich könne mich aus Versehen als Vampir outen. Wahrscheinlich hatte ich das Tanzen inzwischen sowieso verlernt.
Im März konnten sich die Mädchen aus der Gruppe auch als Officer bewerben. Mrs Daniels bat mich, nach der Schule zu bleiben und mich um die Musik zu kümmern, während sie und zwei weitere Juroren die Einzel- und Gruppenauftritte der Bewerberinnen bewerteten. Bethany Brookes wurde einer der Junior Lieutenants, was niemanden überraschte. Sie war ein gutes Zugpferd für das Team, immer bereit, anderen zu helfen, fröhlich, lieb und offen. Sie wirkte, als würde für sie immer ihre ganz persönliche Sonne scheinen. Deshalb hatte sie im Team auch den Spitznamen Sonnenscheinchen weg.
Ich wäre auch gern so gewesen. Aber mein Leben war das genaue Gegenteil von ihrem. Während Bethany durch das Rampenlicht wirbelte, kauerte ich in den dunklen Kulissen und wusste nicht, wie ich wieder ins Licht kommen sollte. Ich wollte wieder so sein wie vor einem Jahr, bevor ich krank wurde und unsere Familiengeheimnisse erfuhr, bevor ich mich in einen Jungen verliebte, den ich nie haben konnte. Bevor Nanna gestorben und Mom nur noch unterwegs war.
Aber ich konnte nicht zurück, und ich konnte nicht ändern, was ich getan hatte, oder aufhalten, was ich wurde. Ich konnte nur jeden Tag beim Mittagessen ein falsches Lächeln für meine Freundinnen aufsetzen und so tun, als wäre alles in Ordnung.
Und darauf achten, dass ich mich auf keinen Fall umsah, denn hinter mir waren der Clann-Tisch und der Junge, mit dem ich nie wieder zusammen sein würde.
„Savannah?“, fragte Anne laut in der Cafeteria.
Ich zuckte zusammen und warf mein Getränk um. Schnell griffen wir uns alle Servietten, um den kleinen See aufzuwischen, während ich eine Entschuldigung murmelte. Damit hatte sich mein flüssiges Mittagessen erledigt. Feste Nahrung war für mich in letzter Zeit nicht essbar: Sie roch einfach zu eklig.
„Kommst du mit?“, wiederholte Anne, nachdem wir die Überschwemmung auf dem Tisch beseitigt hatten.
„Wohin?“ Verwirrt sah ich sie an. Ich musste mir wirklich abgewöhnen, so wegzudriften, wenn ich nicht allein war.
„Zum Shoppen. Am Wochenende“, sagte Michelle. Als ich nicht
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