Herzblut 02 - Stärker als der Tod
ich mir da nicht so sicher war. Ich sollte mir ruhig die unschönen Einzelheiten anhören, um zu wissen, worauf ich mich einließ. Auch wenn ein Teil von mir lieber warten wollte, bis ich verwandelt war und nicht mehr kneifen konnte.
„Wir Vampire haben uns als Art weiterentwickelt“, erklärte er. „Was uns früher große Probleme bereitet hat, etwa Sonnenlicht, ist jetzt keine Gefahr mehr für uns. Nach außen wirken wir vielleicht perfekt. Wir können uns unter Menschen bewegen, wirken relativ normal und müssen uns nur vor Feuer, Pflöcken oder Enthauptung in Acht nehmen. Wir sind unsterblich. Krankheiten können uns nichts anhaben, und wir werden niemals älter, als wir es bei unserer Verwandlung waren. Wir können die Gedanken von anderen Vampiren und von Menschen lesen, aber nicht von Nachfahren. Außerdem sind wir sehr schnell, stark und beweglich.“
Er schwieg so lange, dass ich das Schweigen im Zimmer unterbrechen musste. „Bis jetzt klingt ein Leben als Vampir nicht schlecht.“
Er sah mich aus silbernen Augen, die Savannahs ähnelten, durchdringendan. „Ja, das könnte man meinen. Aber wenn man als Vampir erwacht, verspürt man schon nach wenigen Stunden einen Durst, den du dir nicht einmal vorstellen kannst. Der Blutdurst zerfetzt dich innerlich. Du gierst nach menschlichem Blut, egal, von wem. In den ersten Wochen töten viele Vampire aus blindwütigem Durst sogar ihre Familien, ohne es zu wollen.“
Na gut, am Anfang war es als Vampir also nicht so toll. „Aber er geht weg, oder?“
„Nach einiger Zeit lässt der Blutdurst nach. Aber er verschwindet niemals ganz. Und jemandem wie dir, der so mächtiges Blut voller Magie in den Adern hat, nahe zu kommen, ist eine besondere Herausforderung. Diese Macht lockt sogar die ältesten Vampire so sehr, als wären sie gerade erst verwandelt worden. Ich bin über dreihundert Jahre alt, und sogar mir fällt es schwer, lange in der Nähe von Nachfahren zu sein.“
Irgendwie war es unbequem auf dem Sofa. Es quietschte, als ich versuchte, eine angenehmere Position einzunehmen. „Aber Sie können es. Sie haben doch Savs Mutter geheiratet. Und vor ein paar Wochen waren Sie mit einem ganzen Haufen Nachfahren im Wald, ohne dass man Ihnen etwas angemerkt hat.“
Er lächelte kühl. „Bei Savannahs Mutter hat mir ein Amulett geholfen, das ihre Großmutter für mich angefertigt hatte. Es war mit einem Zauber belegt, den außer ihr niemand kannte. Er hat den Blutdurst gedämpft und erträglich gemacht. Und es stimmt, im Wald habe ich es geschafft, niemanden anzugreifen. Aber es hat mich einiges gekostet. Wäre ich jünger gewesen, hätte ich mich vielleicht nicht zurückhalten können.“
Ich wandte den Kopf ab und starrte in den leeren schwarzen Kamin. „Das heißt, ich könnte meine Familie eine Weile nicht sehen.“
„Wenn es überhaupt funktionieren würde. Leider kann man Nachfahren nicht erfolgreich verwandeln.“
Ich sah ihn an. „Ich kenne die Geschichten. Und ich glaube nicht an sie. Das sind nur Lügen, damit sich Nachfahren nicht verwandeln lassen.“
Er war so schnell verschwunden und wieder zurückgekommen, dass ich nur einen Lufthauch spürte. Mit einem Messer und zweiUntertassen stand er vor dem Sofatisch. „Ich beweise dir, dass es wahr ist. Schneid dich, bitte nur leicht, und lass das Blut auf die Untertasse tropfen. Dann füge mein Blut dazu und pass auf, was passiert.“ Er schnitt sich in einen Finger und ließ sein Blut auf einer Untertasse zu einer dunkelroten Pfütze zusammenlaufen. Als er mir das Messer gab, war der Schnitt schon verheilt, als hätte es ihn nie gegeben. „Wenn du fertig bist, reden wir draußen weiter.“
Er ging hinaus und ließ die Haustür offen stehen. Offenbar wollte er nicht ausprobieren, wie gut er sich neben einem blutenden Nachfahren im Griff hatte. War es wirklich so schlimm?
Auch ich schnitt mir in den Finger und ließ das Blut auf die saubere Untertasse tropfen. Als die Lache knappe zwei Zentimeter maß, nahm ich mit dem Messer ein paar Tropfen von der anderen Untertasse und ließ sie in mein Blut fallen.
Ich hatte gedacht, er und alle anderen hätten gelogen. Aber als ich sah, wie die beiden Blutsorten zu einer dicken, klebrigen schwarzen Pampe stockten, die stank wie ein halb verwestes Tier in der prallen Sonne, zischte und kleine Rauchfähnchen aufsteigen ließ, wusste ich, dass es kein Märchen war. Und ich hatte nur ein paar Tropfen genommen. Was würde mehr Vampirblut im Körper eines
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