Herzblut 02 - Stärker als der Tod
nicht viel essen, bis die Magenschleimhaut geheilt ist.“
„Und Stress hatte sie in letzter Zeit genug.“ Michelle lächelte mich mitfühlend an.
„Und warum warst du gestern Mittag nicht hier?“, fragte Anne.
„Ach ja, das“, druckste ich herum. „Das wollte ich euch noch erzählen – ihr erratet nie, mit wem ich Chemie und Englisch habe.“
„Ron Abernathy?“, meinte Anne trocken.
„Ja. Er braucht Hilfe in Englisch, und ich habe keinen Schimmer von Chemie. Deswegen wollen wir uns manchmal mittags in der Bücherei treffen und uns gegenseitig bei den Hausaufgaben helfen.“
Anne starrte mich an. „In der Bücherei, was?“
„Weil es da leise ist“, fügte ich hinzu. „Und weil seine Mom dieBibliothekarin ist, brauchen wir keine Lehrererlaubnis, um da zu lernen.“
„Klingt logisch“, sagte Anne, als wäre das halb so wild.
Aber die Hitze, die sie ausströmte, sagte etwas anderes. Fast als wäre sie …
Sie war eifersüchtig.
„Anne, so ist das überhaupt nicht.“ Ich kam mir vor, als würde ich plötzlich einem wilden Tier gegenüberstehen, das ich mit ruhiger Stimme besänftigen musste. „Ich würde nie was mit deinem Ex anfangen. Außerdem ist er nicht mein Typ.“
„Echt nicht? Große blonde Footballspieler mit ernsten Augen sind nicht dein Typ?“
Wenn es nicht so beleidigend gewesen wäre, hätte ich darüber gelacht. „Ron ist ganz anders als … ihr wisst schon.“
Carrie sah mich finster an, während Anne sich auf einmal ungemein für ihre Limo interessierte.
Ich berührte Anne an der Schulter. „Komm schon, Anne. Du kennst mich doch. Ich würde mich nie an einen Jungen ranmachen, den du magst. Und ich weiß, dass du noch was für Ron empfindest. Und auch sonst würde ich mich nicht mit ihm verabreden.“ Nach den letzten beiden Beziehungsversuchen würde ich das bestimmt nicht noch mal probieren. Zwei komplette Katastrophen reichten mir fürs restliche Leben.
„Ich weiß“, murmelte Anne, aber es klang nicht so, als würde sie es glauben. Sie sah mich an, seufzte und sagte mit mehr Nachdruck: „Ich weiß es wirklich. Ich weiß, dass du dich nie mit Ron verabreden würdest.“
„Trotzdem hätte er jemand anderen um Hilfe bitten können“, grummelte Carrie.
„Hat er überhaupt Freunde?“ Ich war neugierig geworden.
Die allgemeine Antwort bestand aus Schulterzucken und Kopfschütteln.
Ich wandte mich wieder an Anne. „Gibt es irgendeinen Grund, warum ich nicht wenigstens nett sein und ihm in Englisch helfen sollte?“
„Du meinst, abgesehen davon, dass er der Ex deiner besten Freundinist?“, fragte Carrie.
„Anne hat mit ihm Schluss gemacht, nicht umgekehrt“, wandte Michelle ein.
Anne schwieg.
„Es ist deine Entscheidung, Anne“, sagte ich. „Ein Wort von dir, und ich suche mir einen anderen Versuchspartner für Chemie und sage Ron, er muss sich in Englisch allein durchschlagen.“
Wenn ihr dabei so unwohl war, sollte ich vielleicht doch nicht versuchen, den beiden bei ihren Problemen zu helfen.
„Du musst mir nicht sagen, was zwischen euch los war“, fügte ich hinzu. „Aber sag mir wenigstens … Soll ich ihn für dich fertigmachen? Mache ich gerne. Ich gehe sofort in die Bücherei und verarbeite ihn zu Kleinholz. Nur ein Wort von dir, und ich begrab ihn unter den schwersten Schinken, die ich in der Bibliothek finden kann.“
Michelle kicherte, und sogar Carries Lippen zuckten.
Widerwillig lächelte Anne. „Nein, mach ihn nicht fertig. Sonst brichst du dir noch die dünnen Arme. Du hast recht. Ich habe mit ihm Schluss gemacht, nicht er mit mir. Und … eigentlich ist es nicht mal seine Schuld. Ich meine, er hat ja nichts gemacht. Ich konnte nur nicht anders.“
Durch Annes Gedanken rasten schwarze Katzen. Was sollte das mit diesen Viechern?
„Also kann ich mich ruhig jeden zweiten Tag mit ihm mittags zum Lernen treffen?“
Sie verdrehte die Augen und seufzte laut. „Na ja, ich kann ihm ja nicht mehr helfen. Und in Englisch ist er echt eine Niete. Wenn du ihm keine Nachhilfe gibst, besteht er den Kurs am Ende nicht und darf nicht mehr Football spielen. Und das darf auf keinen Fall passieren.“
Carrie schnaubte.
„Also meinetwegen, hilf dem alten Querkopf ruhig bei Englisch.“ Anne nahm ihre Limodose in die Hand und tat so, als habe unser ganzes Gespräch sie kaum gekratzt.
Doch ich durchschaute sie. Die Gefühle, die in ihr aufflackerten, erzählten die Wahrheit – sie war immer noch verrückt nach Ronund wünschte sich von
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