Herzblut 02 - Stärker als der Tod
ganzem Herzen, sie würde sich mittags mit ihm treffen, nicht ich.
Also gab es für die beiden noch Hoffnung.
Lächelnd stupste ich sie leicht mit der Schulter an. „Du bist doch ein alter Softie.“
Sie verschluckte sich an ihrer Limo. „Wehe, du sagst das noch mal!“ Offensichtlich entsetzt sah sie sich um. „Ich habe einen Ruf zu verlieren!“
Am nächsten Tag sagte ich im Chemieunterricht: „Ich habe Anne erzählt, dass wir uns gegenseitig Nachhilfe geben.“
Ron wollte gerade nach einer Pipette greifen und stockte. „Was hat sie dazu gesagt?“
„Sie war nicht begeistert, aber sie meinte, es wäre in Ordnung.“
„Aber toll fand sie es nicht?“
„Ich glaube, sie hat so ungefähr gesagt: ‚Na ja, ich helfe ihm nicht, und er ist in Englisch eine Niete. Also muss ihm wohl jemand helfen, damit er besteht.‘“
Lächelnd beobachtete Ron das Becherglas, in dem eine grüne Flüssigkeit langsam aufkochte.
Ich schrieb die chemische Reaktion auf, wie der Lehrer gesagt hatte. „Mal ehrlich, Ron. Ich soll dir nicht nur bei den Hausaufgaben helfen, weil du Anne eifersüchtig machen willst, oder?“
Er runzelte die Stirn. „Was? So ein Quatsch. Außerdem war es deine Idee. Und wieso sollte ich versuchen, sie eifersüchtig zu machen? Sie weiß auch so, was ich für sie empfinde.“ Er maß zwei Tropfen Wasser ab und gab sie in das Becherglas, woraufhin sich der Inhalt blau färbte. „Sie weiß, dass sie nur ein Wort sagen muss, wenn sie es sich anders überlegt.“
„Dann würdest du sie zurücknehmen? Einfach so? Obwohl sie mit dir Schluss gemacht hat?“
Er zuckte mit den Schultern. „Mit Stolz macht man sich nur das Leben schwer. Je weniger Stolz man hat, desto einfacher bekommt man das, was man will.“
„Hm. Hast du das mal Anne gesagt?“
Mit finsterer Miene las er unsere Versuchsanleitung. „Ich hoffe,dass sie es irgendwann versteht.“
„Du weißt schon noch, wie dickköpfig sie ist, oder?“
Er grinste. „Das vermisse ich mit am meisten.“ Nachdem er noch zwei Tropfen Wasser ins Becherglas gegeben hatte, sah er mich an und sagte: „Weißt du, ich könnte dich das Gleiche fragen. Arbeitest du mit mir zusammen, um jemand Bestimmten eifersüchtig zu machen?“
Jetzt runzelte ich die Stirn. „Nein. Wieso sollte ich? Ich habe doch mit ihm Schluss gemacht.“
„Ich habe gehört, dass er mit einem Mädchen von den Charmers zusammen ist.“
Ich schluckte schwer und konzentrierte mich darauf, Notizen zu machen. „Schön für ihn. Er hat es verdient, glücklich zu sein.“
Er war in Sicherheit. Nur das zählte.
„Mit einer anderen?“
„Wenn sie ihn glücklich macht.“
„Das ist echt groß von dir. Ich weiß nicht, ob ich das auch sagen könnte.“ Er lehnte sich auf seinem Hocker nach hinten, dass die Metallbeine quietschten.
Ich rang mir ein schiefes Lächeln ab. „Glaub mal, es kostet mich auch jeden Tag was.“
In den nächsten Wochen schlich sich eine Routine ein, die mein Leben zwar nicht glücklich, aber wenigstens angenehm machte. Na ja, größtenteils. Außer im Englischunterricht schaffte ich es, mich auf andere Dinge zu konzentrieren. Ich half den Charmers beim Training, den Spielen und dem Anheizen der Spieler davor, half meinen Freundinnen bei den Hausaufgaben und hörte mir jeden zweiten Tag beim Mittagessen den neuesten Klatsch von Michelle an. In Chemie und beim Lernen mittags arbeitete ich mit Ron und alberte mit ihm herum, abends übte ich mit Dad und Gowin, wenn er uns besuchte, Tai-Chi, machte meine Hausaufgaben und fiel danach ins Bett. Und natürlich schlich ich mich in jedem freien Moment zu Nannas Haus, um zaubern zu üben. Das einzige Problem dabei war, dass ich meine Hexenkräfte in den ersten ein, zwei Tagen, wenn ich Blut getrunken hatte, nicht anzapfen konnte. Bisherhatte ich die Theorie, dass meine Vampirseite durch das Blut zu stark wurde und meine anderen Fähigkeiten unterdrückte. Entweder das, oder das Blut machte mich vorübergehend so menschlich, dass ich zu wenig Hexe war, um zu zaubern.
Schlimm waren der Englischunterricht und die Wochenenden, wenn ich getrunken hatte. Denn dann konnte ich mir nicht vormachen, es wäre alles in Ordnung.
Egal, wie spät es geworden war: Freitagabends nach dem Footballspiel saßen Dad und Gowin in der Küche und warteten mit einem Fläschchen Blut auf mich. Und ich musste es trinken. Ich hatte jede Ausrede versucht, um mich davor zu drücken. Aber ich hatte es nie geschafft.
„Nach einer Weile
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