Herzblut - Gegen alle Regeln (German Edition)
betrachtete, die hinter Tristan am Waldrand standen, desto stärker spürte ich fremde Gefühle … Wut, Neugier, geduldige Entschlossenheit und Angst strömten in einer dunklen, brodelnden Woge über mich, obwohl ich versuchte, mich davor zu schützen. Die Gefühle mussten von den drei Gestalten stammen. Alle anderen in meiner Nähe sahen fröhlich aus.
Warum standen sie so reglos da? Und blinzelten nicht mal?
Mit feuchten Händen drückte ich meine Schreibmappe an mich. Mein Instinkt schrie, ich sollte weglaufen, aber ich stand wie angewurzelt da.
Was hatten die drei dort zu suchen? Und warum starrten sie mich an?
Aus der Entfernung sahen sie wie drei Erwachsene mittleren Alters aus, zwei Männer und eine Frau. Sie beobachteten mich mit ausdruckslosen Mienen. Der Wind ließ die dunklen Anzugjacken der Männer flattern und wirbelte die Haare der Frau zu einer schwarzen Wolke auf, aber sie versuchte nicht einmal, die wilden Strähnen zu bändigen.
„He, Anne, kennst du die Leute?“ So beiläufig wie möglich deutete ich mit dem Kopf auf die Gestalten.
Anne warf einen Blick in die Richtung und sah mich verständnislos an. „Wen?“
„Die drei Leute am Waldrand. Hinter dem Sportplatz.“
Sie schien immer noch nicht zu begreifen. Oder sie wollte mich veräppeln. Das würde die durch und durch praktisch veranlagte Carrie nicht tun. „Carrie, kennst du diese Leute?“
Carrie blickte in die richtige Richtung. „Wo?“
„Mädels, das ist nicht witzig. Ich meine die beiden Männer und die Frau da drüben.“ Obwohl es mir unhöflich vorkam, zeigte ich mit dem Finger. Sollten die drei doch wissen, dass ich über sie sprach. Schließlich war es genauso unhöflich, mich anzustarren.
Carrie starrte mich mit ihren blauen Augen genauso ausdruckslos an. „Sav, da ist niemand.“
„Jetzt hört aber auf! Michelle, du siehst sie doch, oder?“
Als Michelle den Kopf schüttelte, sahen mich meine Freundinnen an, als hätte ich den Verstand verloren.
Vielleicht hatte ich das auch. Ich wandte mich zu dem unheimlichen Trio um. Sie standen immer noch genauso deutlich und reglos da und starrten mich an. Mich überlief eine Gänsehaut.
„Schwört ihr mir, dass ihr sie nicht seht?“ Ich hatte ruhig klingen wollen, aber meine Worte kamen als Krächzen heraus.
„Ich schwöre“, antwortete Anne, worauf Carrie und Michelle nickten.
„Na komm, gehen wir in den Unterricht“, meinte Anne, nahm meinen Arm und zog mich weiter.
Na wunderbar. Als wäre ich nicht schon seltsam genug gewesen, fing ich jetzt auch noch an, unsichtbare Leute zu sehen. Entweder das oder Geister.
Zum Glück fanden meine Kurse an diesem Nachmittag im Hauptgebäude auf der anderen Seite des Schulgeländes statt. Trotzdem zuckte ich jedes Mal zusammen, wenn im Hauptflur eine Spindtür laut zugeschlagen wurde.
Und nach dem Unterricht musste ich wie immer zum Training der Charmers. Auf dem Sportplatz, neben dem diese starrenden Leute gestanden hatten.
Hoffentlich sind sie verschwunden, ging es mir immer wiederdurch den Kopf, während ich nach dem letzten Läuten zum Sport- und Kunstgebäude schlich.
Während ich die Betonrampe hinauflief, warf ich einen Blick Richtung Wald. Und stolperte. Die drei standen immer noch dort, und sie starrten mich immer noch an. Die Frau hatte inzwischen völlig zerzauste Haare. Der Wind musste sie die ganze Zeit durcheinandergewirbelt haben. Sie sahen aus, als hätten sie sich seit Stunden nicht bewegt und könnten ewig so stehen bleiben. Ihre brodelnden Gefühle legten sich wie ein unsichtbarer, bösartiger Nebel über mich, bis ich mir am liebsten die Haut vom Leib gekratzt hätte, um das Gefühl loszuwerden.
Was wollten sie nur?
Eiskalte Panik stieg in mir auf, sie strömte von Brust und Bauch in meine Glieder und ließ sie taub werden. Ich biss die Zähne zusammen und lief ins Gebäude. Bei Mrs Daniels’ Büro lehnte ich mich an den Türpfosten. Vor Erleichterung wurden mir die Knie weich, ich rutschte zu Boden, mein Atem ging schnell und flach.
Verdammter Mist. Ich konnte nicht wieder hinausgehen. Der Weg zum Sportplatz würde direkt an ihnen vorbeiführen. So nah, dass sie mich einfach packen könnten.
Ich würde das Training heute schwänzen müssen. Ich würde …
Ich hörte gar nicht, wie Tristan die Treppe heraufkam. „He, Sav, was ist los?“ Mit drei langen Schritten war er bei mir und hockte sich vor mich. Als er meine Hände in seine nahm, spürte ich durch ihre Wärme, wie sehr ich fror.
„Du
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