Herzblut - Gegen alle Regeln (German Edition)
Körper unwillkürlich entspannte. Der Form halber brachte ich noch einen letzten Einwand. „Vielleicht sollte ich doch zu meinem Vater ziehen. Wenn ich weg bin, könntest du herausfinden, ob du wirklich klar denkst oder nur von meinem Blick benebelt bist. Und wenn es doch nur an meinem Blick liegt, lässt die Wirkung vielleicht nach, wenn du mich nicht mehr siehst …“
„Wenn du das machst, suche ich dich“, grummelte er, aber wie er mir sanft mit den Daumen über die Wangen strich, machte seinen knurrigen Ton wett. „Es wäre allein deine Schuld, wenn ich die Schule schwänze.“
Er war es wirklich gewohnt, immer zu bekommen, was er wollte. Ich konnte mir gut vorstellen, dass er auf die Schule pfiff, um nach einem Mädchen zu suchen. Meine Mundwinkel zuckten.
„Willst du sicher sein, dass du mich nicht verzaubert hast?“, fragte er.
„Ja, das wäre schön.“
„Dann sieh mich an.“
Ich starrte auf seine Nase.
„Meine Augen, Savannah. Sieh mir in die Augen. Und zwar lange. Sieh selbst, ob sie sich so verändern wie bei den anderen Jungs.“
Auf keinen Fall konnte ich ihm das zum dritten Mal antun. Wenn es so weiterging, würde die Wirkung niemals nachlassen.
„Sieh mich an.“
„Das kann ich nicht.“
„Sieh mich an, verdammt!“
Vor Schreck sah ich unwillkürlich hoch. Mein Blick wurde von dem altbekannten Tristan Coleman erwidert. Seine Augen sahen genauso aus wie damals, als wir Kinder gewesen waren.
„Sieh mich weiter an. Sag mir, wenn sie sich verändern“, bat er leise.
Ich fing an zu zittern. Es ging mir richtig unter die Haut, in seinen Augen nach Anzeichen dafür zu suchen, dass ich ihm den Verstand und den freien Willen raubte, wie ich es bei Greg und den anderen getan hatte.
Es klingelte zum Ende der ersten Stunde. Trotzdem rührten wir uns nicht. Die Sekunden verstrichen.
Nach einer langen Minute fragte er: „Und? Bin ich immer noch ich?“
Ich nickte, obwohl ich es kaum glauben konnte. In den letzten Monaten hatte ich mich an die Vorstellung gewöhnt, dass jeder Mann wahnsinnig werden würde, wenn ich ihn direkt ansah. Aber Tristan, den ich als Einzigen ganz gern als Stalker gehabt hätte, blieb völlig unbeeindruckt. Trug er vielleicht einen Talisman seiner Familie, der ihn vor meinem Tranceblick schützte? Waren alle Nachfahren automatisch dagegen immun? Vielleicht hatten sie sich, genau wie beim Gedankenlesen, mit der Zeit einen angeborenen Schutz vor dem Tranceblick von Vampiren zugelegt.
Ich musste meine Mutter mal fragen, ob mein Vater sie je mit seinem Blick benebelt hatte.
Tristan ließ die Hände über meine Schultern und Arme gleiten und ergriff meine Hände. „Haben wir jetzt genug darüber geredet?Willst du meine Freundin sein?“
Als hätte mir mein Herz je eine Wahl gelassen. Ich schluckte den Kloß im Hals herunter, nickte und zog meine Hände aus seinen, damit ich ihn lächelnd umarmen konnte. Es fühlte sich so richtig an, dass ich nicht begriff, warum ich mich überhaupt dagegen gewehrt hatte. Tristan hatte recht. Die Clann-Regeln waren dumm. Wenn überhaupt jemand für irgendjemand anderen bestimmt war, waren es Tristan und ich. Und es war höchste Zeit, dass wir unsere eigenen Entscheidungen trafen.
„Gut.“ Er küsste mich, erst sanft, dann intensiver, und drückte mich an sich, bis ich nicht mehr wusste, wer sich enger an wen schmiegte.
Er hob den Kopf, um Luft zu holen, und grinste mich an. „Dein Blick wirft mich nicht um, aber deine Küsse schaffen das.“ Er sah mich an, und es war wunderbar und erschreckend zugleich, seinen Blick zu erwidern. „Wusstest du, dass deine Augen silbern werden, wenn ich dich küsse?“
Eigentlich hätten sie sich braun färben müssen. Wenn er mich küsste, hatte ich das Gefühl, ich würde in einem Fass Kaffee ertrinken. Mein Körper vibrierte förmlich vor Energie.
Leider wartete die zweite Stunde auf uns, und in meinem Leben drehte sich nicht alles darum, Tristan Coleman zu küssen. Auch wenn ich es mir langsam wünschte.
Tristan
Den ganzen Vormittag über hatte ich nicht aufgehört zu grinsen. In der Cafeteria ließ ich mich auf meinen Stuhl neben Emily fallen und sah, wie von einem Magneten angezogen, zu Savannah hinüber. Sie war unglaublich schön. Und ich war der Glückspilz, der sie küssen durfte. Als ich sie beobachtete, während sie in der Essensschlange stand, wurde sie rot. Spürte sie meinen Blick? Seit ich wusste, dass sie von Geburt her zu den Nachfahren gehörte, vermutete ich es
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