Herzblut: Kluftingers neuer Fall (German Edition)
Familie,
begann er und spürte sofort den Kloß im Hals. Es war komisch: Er war immer sicher gewesen, dass Erika länger leben würde als er. Doch er hatte dabei an ein biblisches Alter für beide gedacht, an sanftes Einschlafen in warmer Herbstsonne, den Blick auf die Berge gerichtet, langsam in die Ewigkeit entschwindend. Was aber, wenn er nun schon viel früher … Wie würden seine Eltern damit fertigwerden?
Es ist das Schlimmste für Eltern, ihren einzigen, über alles geliebten Sohn zu Grabe tragen zu müssen. Aber ihr werdet mir ja eh bald folgen, und dann sehen wir uns wieder ich bin jetzt an einem besseren Ort. Obwohl es hier mit euch natürlich auch sehr schön war! Meiner Frau und meinem Sohn möchte ich noch sagen:
Ja, was wollte er ihnen sagen? Er wusste es nicht. Wie sollte er in einem Satz zusammenfassen, was da noch alles ungesagt geblieben war?
Lebt wohl und in Frieden.
Nein, das klang nun wirklich zu sehr nach Winnetou. Aber was dann?
Vertragt euch.
Das klang so banal wie der Satz eines Lehrers zu seinen Schülern am Wandertag. Nein, er brauchte etwas Leichtes, Beschwingtes, was aber doch zu ihm passte, erdig, ehrlich … Plötzlich riss er die Augen auf. Natürlich, es war so einfach. Er nickte sich selbst bestätigend zu, als er die letzten Worte schrieb, die er der Nachwelt zurufen würde.
Pfiat’s Euch!
Euer Butzele, Bub und Vatter
Neunter Tag
H immelarsch, wir müssen halt Beweise finden, die auch den Richter und den Staatsanwalt überzeugen, und dann mach mer den Sack zu!«, schimpfte Kluftinger und fand selbst, dass er ein wenig nach Lodenbacher klang. Mittlerweile war es schon später Vormittag, in gut einer Stunde müssten sie das Ehepaar Fink wieder laufen lassen.
Sein kleiner Wutausbruch führte sofort zur Intensivierung des Drucks in seiner Brust, der heute Morgen eigentlich noch ganz erträglich gewesen war. Beim Blick in den Spiegel allerdings war er angesichts seiner dunklen Augenringe erschrocken.
»Glaubst du denn wirklich, dass sie es waren?«, warf Strobl ein.
»Was ich glaub, ist nicht wichtig.«
»Schon, aber du hast dich sonst immer auf dein Gefühl verlassen.«
»Ich hab irgendwie keine Intuition bei diesem ganzen Schlamassel. Das ist mir viel zu wirr alles. Keine Ahnung, wie das alles zusammenhängen soll.«
Die anderen zuckten mit den Schultern.
»Ich mein, die Täter müssen auf ihre Opfer einen Riesenhass gehabt haben, sonst hätten sie nicht alle so zugerichtet. Was also haben die ihnen angetan? Ich will nicht glauben, dass die nur aus Mordlust gehandelt haben. Wieso sollte es denn ausgerechnet diese Leute treffen?« Kluftinger lief nervös auf und ab. Niemand sprach ein Wort. »Also, was haben die alle gemeinsam? Na?«
Keine Reaktion.
»Irgendwie hat immer alles mit Herz zu tun, oder? Der Herzspezialist, der Taxifahrer, dem durchs Herz geschossen wird, der Versicherungsmakler, dessen Herz im Kühlschrank liegt …«
»Was wir sicher sagen können, ist: Nach ihrem Tod hatten sie alle ein massives Herzproblem«, sagte Hefele bitter grinsend in die Runde. Kluftinger schluckte. Seine gesundheitlichen Probleme ließen ihn einfach nicht los. Sofort waren all die schrecklichen Gedanken wieder da. Und auch die Schmerzen. Aber konnte das sein? Nur, weil er daran dachte? Er musste sich wirklich zusammenreißen. »Schon. Aber was ist vorher gewesen? Beim Arzt ist es klar, aber wie sieht’s beim Taxifahrer aus? Richard?«
Maier stand wortlos auf und ging an einen der Computer. Dabei kniete er sich auf einen der Stühle – ein groteskes Bild, fand Kluftinger.
»Unglaublich!«, tönte Maier nur wenig später. »Volltreffer, Chef! Der Mann hatte eine Herztransplantation – die ist gerade mal ein Jahr her!«
»Wie bitte? Das gibt’s doch nicht.« Er eilte zu Maier und schaute ihm von hinten über die Schulter. »Und wieso weiß ich das nicht schon längst? So ein Zusammenhang muss euch doch auffallen, das ist doch eine riesige Schlamperei. Verlasst euch halt nicht immer nur auf mich, zefix!«
Die Kollegen saßen bedröppelt da.
»Das stellt doch alles in ein ganz neues Licht. Jetzt haben wir sogar zum Taximord einen eindeutigen Bezug. Herrschaftszeiten, warum haben wir das nicht früher erfahren?«
»Weil’s nicht relevant war«, verteidigte sich Maier.
»Hast du’s etwa gewusst?«
»Nein, das nicht, aber es war ja wirklich nicht von Bedeutung. Ich mein, wenn dir einer ins Herz schießt, dann bist du tot, Transplantation hin oder her.«
»Richie,
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