Herzblut: Kluftingers neuer Fall (German Edition)
komm, jetzt hör dir doch mal zu. Das kannst du doch nicht ernst meinen, was du da sagst. Wenn jemandem ins Herz geschossen wird, dem das vor einiger Zeit eingesetzt worden ist, dann hat das natürlich ein ganz anderes G’schmäckle, als wenn da nix war vorher.«
Keiner widersprach.
»Also, dann, hopp, mal ein bissle Einsatz, die Herren! Wir müssen rauskriegen, ob der Versicherungsheini auch ein Herzproblem gehabt hat. Und wir müssen das Rätsel lösen, wer die Person ist, die all diese Opfer verbindet.« Kluftinger ging zur Pinnwand und machte eine vage Handbewegung. »Wo ist der Punkt, wo sich die Lebenslinien dieser Menschen kreuzen? Da müss mer jetzt weiterkommen, sonst hat der Willi irgendwann ein Streichholzheftchen mit gar keinen Hölzern in einem Asservatenbeutel.«
»Also zählt er doch bis null runter?«, mischte sich Maier ein.
»Herrschaft, jetzt lass mich doch mit deinen Zahlenspielen zufrieden. Ihr wisst schon, was ich mein.«
Sie sahen ihn mit großen Augen an. Kluftinger erinnerte sich daran, dass er doch vorgehabt hatte, seine Leute zu motivieren. Also fügte er an: »Ist doch toll, Männer. Versteht ihr nicht? Das ist der Zusammenhang, den wir so lange gesucht haben. Auch wenn wir jetzt scheinbar noch nicht viel mehr wissen: Das wird uns unweigerlich zu den Tätern führen.« Von seinen eigenen Worten mitgerissen, fuhr er fort: »So, und jetzt knöpf ich mir noch mal die Finks vor. Irgendwas muss doch da noch gehen!«
Auf seine Verhörfertigkeit war Kluftinger einigermaßen stolz. Dabei hatte er, im Gegensatz zu manch anderen Kollegen, weder dicke Fachbücher über Verhörtechniken gewälzt noch reihenweise Kurse dazu besucht. Er verließ sich einfach auf seine Intuition. Und die hatte ihm schon einige spektakuläre Erfolge beschert, von denen man in der Dienststelle heute noch sprach.
Dennoch war die heutige Befragung in mehrfacher Hinsicht heikel: Das eigentliche Verhör war geführt und hatte nichts ergeben. Nun galt es, doch ein bisschen die Hierarchiekarte auszuspielen. Allerdings auf eine Art und Weise, die sich am Rande des Erlaubten bewegte, denn die Täuschung eines Verdächtigen war unzulässig. Er konnte nicht einfach sagen: »Wir haben die Beweise zusammen, Sie brauchen gar nichts mehr zu sagen, wir wissen, dass Sie es waren!« Auch wenn das manchmal ungemein hilfreich wäre. Man konnte dieses Verbot aber durchaus ein bisschen dehnen, und genau das hatte Kluftinger nun vor.
Er betrat den Raum, in dem Fink bereits auf ihn wartete. Instinktiv blickte der Kommissar zu der kleinen Kamera, die im Rücken des Verdächtigen unauffällig an der Decke angebracht war. Er wusste, dass seine Kollegen ihm nun zusahen, und er wusste, dass sie wie er auf ein verwertbares Ergebnis hofften. Sollte das ausbleiben, müssten sie den Schießbudenbetreiber und seine Frau gehen lassen.
»Guten Morgen, Herr Fink.«
Der Mann brummte etwas, das wie »Mrgn« klang.
»Haben Sie gut geschlafen?« Kluftinger spürte förmlich, wie die Kollegen am Bildschirm die Gesichter verzogen. Er ärgerte sich wegen dieses unglücklichen Einstiegs. Natürlich hatte Fink nicht gut geschlafen, und er würde die Frage entweder als Provokation auffassen oder einfach mit einem »Nein« antworten. Und ein Nein war so ziemlich der schlechteste Start, den man sich für eine Vernehmung vorstellen konnte.
»Geht so«, antwortete der Mann überraschenderweise, was Kluftinger beruhigte. Er hätte gut und gerne sofort »dichtmachen« können, doch die Nacht in der Untersuchungshaft hatte offenbar Wirkung gezeigt. Seine Einstiegsfrage war wider Erwarten also genau richtig gewesen.
»Herr Fink, ich will offen zu Ihnen sein.« Das war gut, es signalisierte Ehrlichkeit. Deutete an, dass man, selbst auf die Gefahr hin, keine weiteren Informationen zu erhalten, an einem partnerschaftlichen Gespräch interessiert war.
Fink sah skeptisch auf.
»Wir haben den Zusammenhang zwischen den Morden aufgedeckt.« Diese Formulierung hatte sich der Kommissar auf dem Weg in den Vernehmungsraum genau überlegt. Es war keine Lüge: Sie wussten um Zusammenhänge. Ob Fink damit zu tun hatte, konnten sie nur mutmaßen, aber das hatte er auch gar nicht unterstellt. Der Mann vor ihm reagierte jedoch völlig anders als gedacht.
»Dann wissen Sie also, dass ich nichts damit zu tun hab?« In seinem Blick lag Hoffnung.
Kruzinesn.
Das war ja wirklich eine harte Nuss.
»Nein, das hab ich nicht gesagt. Sie müssen mir zuhören. Wir
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